Dienstag, 31.03.2020

Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie mit weitreichenden Folgen für das Vertragsrecht, Mietrecht, Gesellschaftsrecht, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht

Ein Beitrag von Sonja Ruland und Ann-Katrin Meiser
 
Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf das Arbeitsrecht beleuchteten wir bereits in den Beiträgen vom 11.03.2020 und 26.02.2020, eine Zusammenstellung der Änderungen im Gesellschaftsrecht finden Sie in unserem Beitrag vom 27.03.2020. Im Folgenden erhalten Sie einen kurzen Überblick über die Auswirkungen im Insolvenzrecht.
 
Der „Entwurf eines Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ enthält in Art. 1 das „Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz“ (COVID-19-Insolvenz-Aussetzungsgesetz – COVInsAG). Diese Regelungen treten rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft.
Kernpunkt des Gesetzes ist die vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für Corona-bedingte Fälle. Weitere Eckpunkte sind die Schaffung von Anreizen, den betroffenen Unternehmen neue Liquidität zuzuführen sowie die Aufhebung des Nachrangs von neu gewährten Gesellschafterdarlehen. Für einen dreimonatigen Übergangszeitraum wird auch das Recht der Gläubiger suspendiert, die Eröffnung von Insolvenzverfahren zu beantragen, die Haftung der Organe eingeschränkt und die Insolvenzanfechtung weitgehend ausgeschlossen. Im Einzelnen sieht der aktuelle Stand des Entwurfs vom 24. März 2020 (BT-Drucks. 19/18110) folgende Regelungen vor:

1.
Aussetzung der Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 15a InsO (für Vereine nach § 42 Abs. 2 BGB) zunächst bis zum 30. September 2020


Voraussetzung für eine Aussetzung ist, dass die Insolvenzreife auf den Folgen der Ausbreitung von COVID-19 beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. War der Schuldner am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig, wird (widerlegbar) vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19 Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden. Hintergrund ist, dass vermieden werden soll, dass betroffene Unternehmen allein deshalb einen Insolvenzantrag stellen müssen, weil die Bearbeitung von Anträgen auf öffentliche Hilfen bzw. Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen in der außergewöhnlichen aktuellen Lage nicht innerhalb der dreiwöchigen Insolvenzantragspflicht abgeschlossen werden kann. Der Aussetzungszeitraum kann bis höchstens zum 31. März 2021 verlängert werden.

2.
Eingeschränkte Haftung für Organe


Für den Zeitraum der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wird die Haftung der organschaftlichen Vertreter eingeschränkt. Es wird angenommen, dass Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen und insbesondere der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen, als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters im Sinne der jeweiligen Haftungsvorschriften (§ 64 S. 2 GmbHG, § 92 Abs. 2 S. 2 AktG, § 130a Abs. 1 S. 2 und § 177a S. 1 HGB sowie § 99 S. 2 GenG) vereinbar gelten.

3.
Kein Gläubigerantrag auf Insolvenz für den Zeitraum zwischen 28. März 2020 und 28. Juni 2020


Nur wenn ein Insolvenzgrund bereits am 1. März 2020 vorlag, sind Anträge von Gläubigern auf Insolvenz berechtigt.

4.
Erleichterung von Sanierungsfinanzierung


a) durch Aufhebung der Nachrangigkeit: Eine bis zum 30. September 2023 erfolgende Rückgewähr eines im Aussetzungszeitraum gewährten neuen Kredits sowie die im Aussetzungszeitraum erfolgte Bestellung von Sicherheiten für solche Kredite gilt als nicht gläubigerbenachteiligend. Kreditgeber von Sanierungsdarlehen sind also nicht mehr der Gefahr einer späteren Insolvenzanfechtung ausgesetzt. Ausdrücklich wird dies auch auf die Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen erstreckt. Insoweit wird der Nachrang von neuen Gesellschafterdarlehen aufgehoben: § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO findet auf während des Aussetzungszeitraums gewährte Gesellschafterdarlehen in bis zum 30. September 2023 beantragten Insolvenzverfahren keine Anwendung. Die Gesellschafterforderungen werden also im Rang hochgestuft und dann in einem eventuellen Insolvenzverfahren wie normale Insolvenzforderungen mit einer Quotenzahlung behandelt. Nicht privilegiert wird aber die Gewährung von Sicherheiten für Gesellschafterdarlehen aus dem Vermögen der Gesellschaft. Die Neuregelung erstreckt die Privilegierung allein auf die Gewährung von Gesellschafterdarlehen, nicht aber auf deren Besicherung. Eine gestellte Sicherheit ist daher ggf. nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO insolvenzrechtlich anfechtbar.

b) durch Haftungsprivilegierung für Neu-Finanzierung: So sind Kreditgewährungen und Besicherungen im Aussetzungszeitraum nicht als sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung anzusehen. Damit soll die Vergabe von Darlehen durch Kreditinstitute begünstigt werden, die nicht mehr gezwungen sind, im Vorfeld ein umfassendes Sanierungsgutachten einholen zu müssen.
Zum Schutz von Vertragspartnern und der Erleichterung der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs wird auch für Rechtshandlungen außerhalb von Kreditrückzahlungen die Insolvenzanfechtung stark eingeschränkt: Rechtshandlungen wie die Verkürzung von Zahlungszielen, Gewährung von Zahlungserleichterungen, Zahlungen durch Dritte oder an Erfüllungs statt sind in einem späteren Insolvenzverfahren weitgehend nicht anfechtbar, es sei denn dem Vertragspartner war bekannt, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind.
Diese Regelungen gelten auch für Unternehmen, die keiner Insolvenzantragspflicht unterliegen sowie für Schuldner, die weder zahlungsunfähig noch überschuldet sind.

Fazit

Die gesetzlichen Neuregelungen stellen für die betroffenen Unternehmen eine existenzielle Erleichterung dar und verschaffen diesen eine (kurze) Atempause. Die Neuregelungen beinhalten allerdings auch Fallstricke:

So ist die Vermutung der Kausalität der Corona-Krise für die Insolvenzreife widerleglich. Dies muss die Geschäftsführung bei der Weiterführung des Unternehmens immer im Hinterkopf behalten. Die Dokumentation der getroffenen Maßnahmen und die dahinterliegende Entscheidungsfindung sind zwingend erforderlich. Es ist davon auszugehen, dass spätere Insolvenzverwalter versuchen werden, den Nachweis zu führen, die Insolvenzreife sei doch bereits vor dem 31. Dezember 2019 eingetreten oder durch andere Umstände verursacht worden. Ist (auch) nach dem Aussetzungszeitraum die Insolvenz unvermeidlich, bleibt es bei der Haftung der Organe für nicht im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgte Zahlungen.