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Kündigung: Auch Suizidabsicht kann Fortsetzung rechtfertigen

Montag, 06.01.2025 | Person: Alexander Philipp

Beim BGH hat in den letzten Jahren der Fortsetzungsanspruch des Mieters nach rechtmäßiger Kündigung eines Mietverhältnisses erheblich an Bedeutung zugenommen.
In dem zu entscheidenden Fall hatte der Vermieter berechtigterweise eine Eigenbedarfskündigung ausgesprochen, der durch den Mieter mit der Begründung widersprochen wurde, die Kündigung stelle für ihn und seine in der Wohnung lebende Lebensgefährtin eine besondere Härte dar, weil ein Umzug aufgrund der gesundheitlichen sowie finanziellen Situation des Mieters schlicht unmöglich sei (BGH VIII ZR 114/22).

Urteil

Nach der Auffassung des BGH hatte dieser Widerspruch des Mieters Erfolg.

Gemäß § 574 BGB kann ein Mieter der an sich gerechtfertigten ordentlichen Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist.

Als Härtegründe kommen nur solche mit einem Umzug verbundenen Nachteile in Betracht, die sich von den mit einem Wohnungswechsel typischerweise verbundenen Unannehmlichkeiten deutlich abheben. Nach der Rechtsprechung des BGH können auch Erkrankungen in Verbindung mit anderen Umständen einen Härtegrund in diesem Sinne darstellen. In diesem Zusammenhang ist es Aufgabe der Gerichte, sich mittels sachverständiger Hilfe ein genaues und nicht nur an der Oberfläche haftendes Bild davon zu verschaffen, welche gesundheitlichen Folgen im Einzelnen mit einem Umzug verbunden sind; insbesondere welchen Schweregrad zu erwartende Gesundheitsbeeinträchtigungen voraussichtlich erreichen werden und mit welcher Wahrscheinlichkeit diese eintreten.

Unerheblich ist es, dass der Mieter seine Suizidabsicht im Rahmen einer freien Willensbildung als Reaktionsstrategie auf den möglichen Verlust seiner Wohnung gewählt hat.

Eine auch instrumentell eingesetzte Suizidabsicht ändert nichts daran, dass das Leben der Mieter bei einem unfreiwilligen Verlust ihrer Wohnung infolge einer Verurteilung zur Räumung konkret in Gefahr ist und diese Gefahr bei der vorzunehmenden Prüfung des Vorliegens einer Härte im Sinne des § 574 BGB Berücksichtigung finden muss.

Daran ändere auch das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben nichts. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang, ob eine bei Verlust der Wohnung bestehende Suizidgefahr durch eine Therapie beherrschbar ist.

Anmerkung

Der BGH hat für das weitere Verfahren ausführliche Vorgaben gemacht. Danach ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Härtefallabwägung der Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Somit mussten, bei diesem seit mehr als 4 Jahren laufenden Verfahren, aktuelle Befunde auch zur Mitwirkungsbereitschaft des Mieters eingeholt werden. Eine Fortsetzung des Mietverhältnisses ist regelmäßig nur befristet anzuordnen. Auch wenn es ungewiss bleiben sollte, innerhalb welchen zeitlichen Rahmens der Härtegrund mithilfe von begleitenden Maßnahmen voraussichtlich überwunden werden kann, muss das Gericht nicht zwingend die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit anordnen.

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