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Montag, 25.11.2024 | Person: Mark Wilmking
Das Oberlandesgericht München hat mit Beschluss vom 12.06.2024 entschieden, dass das Landgericht München für die Nachlasssache betreffend des emeritierten Papstes Benedikt international nicht zuständig sei, eine Nachlasspflegschaft zur Ermittlung der Erben des verstorbenen emeritierter Papstes anzuordnen.
Der im Jahr 1927 in Marktel geborene Erblasser wurde im Jahre 1977 zum Erzbischof von München-Freising geweiht und im Jahre 1982 zum Kardinalpräfekten der Kongregation für die Glaubenslehre im Vatikan ernannt. Er war sodann vor seiner Wahl am 19.04.2005 bis zu seinem freiwilligen Amtsverzicht am 28.02.2013 Papst und damit Oberhaupt der gesamten römisch-katholischen Kirche sowie Staatsoberhaupt des Staates Vatikanstadt. Nach seiner Emeritierung zog sich der Erblasser am 02.05.2013 in das Vatikan Kloster in den vatikanischen Gärten der Vatikanstadt zurück, wo er am 31.12.2022 verstarb.
Der Beschwerdeführer in dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht München beantragte am 16.01.2023 beim Amtsgericht München als Nachlassgericht die Anordnung einer Nachlasspflegschaft zur Ermittlung des bzw. der Erben des Erblassers. Er begründete dies mit einem von ihm gegen den Erblasser angestrengten zivilgerichtlichen Verfahren vor dem Landgericht Traunstein unter dem Az. 5 O 1304/22, welches er nunmehr nach dem Tode des Erblassers gegen die, jedenfalls dem Beschwerdeführer unbekannten Erben, fortführen wollte. Das Nachlassgericht wies mit Beschluss vom 04.08.2023 den Antrag als unzulässig zurück. Es begründete dies mit seiner internationalen Unzuständigkeit sowie hilfsweise auch damit, dass der Antrag unbegründet sei.
Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde zog der Beschwerdeführer dann vor das Oberlandesgericht München. Dort argumentierte er dahingehend, dass zwar eine internationale Zuständigkeit des Amtsgericht München nach Art. 10 EuErbVO nicht vorliege, aber jedenfalls eine internationale Notzuständigkeit des Amtsgerichts München als Nachlassgericht gemäß Art. 11 EuErbVO begründet sei. Der Beschwerde half das Amtsgericht München als Nachlassgericht nicht ab, sodass es zur Entscheidung dem Oberlandesgericht München vorgelegt wurde.
Das Oberlandesgericht München verneinte zunächst eine internationale Zuständigkeit gemäß Art. 4 EuErbVO, da der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort im Zeitpunkt seines Todes jedenfalls seit dem Jahr 2005 zweifelsohne im Staat Vatikanstadt begründet hatte.
Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 10 EuErbVO verneinte das Oberlandesgericht München ebenfalls. So ließ das Oberlandesgericht München dabei offen, ob der emeritierte Papst im Jahre 2005 als Staatsoberhaupt des Staates Vatikanstadt gegebenenfalls bereits seine deutsche Staatsangehörigkeit verloren habe. Zumindest war aber eine Zuständigkeit nach Art. 10 Abs. 1 EuErbVO zu verneinen, weil neben einer deutschen Staatsangehörigkeit der Erblasser im Zeitpunkt des Todes zumindest binnen der letzten fünf Jahre vor Anrufung des Gerichtes vorausgesetzt wird, dass das Nachlassvermögen in dem betreffenden Mitgliedstaat liege. Dies verneinte das Oberlandesgericht München. Denn positives Nachlassvermögen des Erblassers befand sich nicht in Deutschland. Denn sowohl das Elternhaus des Erblassers wie auch dessen ehemaliger Wohnsitz gehörten gerichtsbekannt, jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erbfalls, nicht zum Nachlass des Erblassers. Passiva, mithin Verbindlichkeiten gegen den Nachlass, zählen aber nicht zum Nachlassvermögen im Sinne des Art. 10 Abs. 2 EuErbVO.
Eine Notzuständigkeit (Forum Necessitatis) nach Art. 11 EuErbVO sah das Oberlandesgericht München ebenfalls nicht für gegeben an. Das Oberlandesgericht München gestand zwar ein, dass die Gerichte eines Mitgliedstaats in Ausnahmefällen in einer Erbsache entscheiden können, wenn es nicht zumutbar ist oder sich als unmöglich erweist, ein Verfahren in einem Drittstaat, zu dem die Sache in einem engen Bezug steht, einzuleiten und zu führen. Unter Berücksichtigung von Art. 31 EuErbVO erweist sich zum Beispiel eine Verfahrenseinleitung oder Verfahrensführung dann als rechtlich oder tatsächlich unmöglich, wenn nach dem Recht des betreffenden Staates keine Zuständigkeit besteht, gegebenenfalls auch bei fehlender Gerichtsbarkeit wegen Gewährung von Immunität oder weil die Rechtspflege wegen Krieg, Bürgerkrieg, Besatzung oder aufgrund einer Naturkatastrophe in einem eigentlich zuständigen Staat still steht. Auch für die Fälle des gescheiterten Staates wird dies angenommen.
Auch die rechtliche oder tatsächliche Unzumutbarkeit der Verfahrenseinleitung oder Verfahrensführung kann durchaus geeignet sein, eine entsprechende Notzuständigkeit nach Art. 11 EuErbVO zu begründen. Eine solche liegt beispielsweise dann vor, wenn die zu erwartende Entscheidung absehbar gegen den Ordre Public des potentiell nach Art. 11 EuErbVO zuständigen Staates verstößt, was sich aus Verfahrensrecht (rechtliches Gehör), vor allem aber aus dem angewendeten materiellen Recht (Ungleichbehandlung wegen Geschlecht, Religion, Staatsangehörigkeit) ergeben kann. Gleiches gilt auch, wenn absehbar gravierend überlange Verfahrensdauer oder korruptionsgeneigte Gerichte keine Gewähr für ein faires Verfahren gewährleisten.
Diese Voraussetzung sah das Oberlandesgericht München bezogen auf den Staat Vatikanstadt nicht für gegeben. Zwar sei der Staat Vatikanstadt zweifellos ein Drittstaat im Sinne des Art. 11 EuErbVO. Indes sei aber die Einleitung oder auch die Führung eines Verfahrens in diesem Drittstaat gerade nicht unzumutbar, denn eine rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit bestünde nicht. Allein die Tatsache, dass es sich im Staat Vatikanstadt um eine absolute Monarchie mit der Folge fehlender Gewaltenteilung handele, mache die Einleitung und Durchführung erbrechtlicher Verfahren – und allein darum ging es hier – nicht unzumutbar, auch wenn es sich bei dem Erblasser um einen emeritierten Papst handele. Denn im Staat Vatikanstadt existieren vier unabhängige, aber funktionsfähige Gerichte, bestehend aus einzelnen Richtern (erste Instanz), Gerichtshof (zweite Instanz), Appellationsgericht mit sechs Richtern (dritte Instanz) und Kassationshof (besetzt mit drei Richtern (vierte Instanz), welche die Judikative des Staates Vatikanstadt sicherstellen. Damit drohten dem Beschwerdeführer bei Einleitung und Durchführung eines allein gegenständlichen erbrechtlichen Verfahrens zur Erbenermittlung hinsichtlich des Erblassers keine Nachteile. Aus diesem Grunde war eine Notzuständigkeit abzulehnen.
Das Oberlandesgericht München stellt noch einmal im Einklang mit Literatur und Rechtsbrechung klar, dass eine internationale Zuständigkeit über Art. 10 EuErbVO dann nicht begründet werden kann, wenn kein positives Nachlassvermögen im angerufenen Mitgliedsland betreffend des Erblassers vorliegt, wobei das Gericht auch noch einmal deutlich erfreulicherweise hervorhebt, dass die Annahme etwaiger Nachlassverbindlichkeiten eben nicht ausreichend ist, ein solches Nachlassvermögen zu begründen. Denn Nachlassverbindlichkeiten gehören nicht zum Begriff des Nachlassvermögens im Sinne des Art. 10 EuErbVO.
Auch arbeitet Oberlandesgericht München noch einmal klar und nachvollziehbar heraus, dass auch eine Zuständigkeit nach Art. 11 EuErbVO im Sinne einer Notzuständigkeit nur unter ganz engen Voraussetzungen anzunehmen ist. Gerade die tatsächliche oder rechtliche Unzumutbarkeit stellt eine große Hürde dar, die jedenfalls in Bezug auf den Staat Vatikanstadt, selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich um eine absolute Monarchie handelt, nicht gegeben ist. Denn selbst bei fehlender Gewaltenteilung ist mit dem Oberlandesgericht München gewiss zuzustimmen, dass es zumindest eine funktionierende Judikative gibt, sodass die Einleitung und Durchführung eines erbrechtlichen Verfahrens selbst im Falle eines emeritierten Papstes als Staatsoberhaupt einer absoluten Monarchie dort zumutbar ist.
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