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Keine Befugnis des Nachlasspflegers zur Ausschlagung der Erbschaft

Montag, 26.06.2023 | Person: Mark Wilmking

Der BGH hat mit Beschluss vom 16.03.2022 (Aktenzeichen IV ZB 27/21) entschieden, dass ein Nachlasspfleger nicht berechtigt ist, mit Wirkung für die unbekannten Erben eine in den Nachlass des Erblassers gefallene weitere Erbschaft auszuschlagen. Das Recht zur Ausschlagung der Erbschaft ist allein ein dem Erben bzw. seinen Rechtsnachfolgern, den Erbeserben, persönlich zustehendes Recht.

Sachverhalt

Die ursprünglich unter Betreuung stehende Erblasserin war gesetzliche Miterbin ihres vorverstorbenen Ehemannes. Mit notarieller Urkunde vom 04.02.2021 erklärte die seinerzeit noch für die Erblasserin eingesetzte Betreuerin die Ausschlagung der Erbschaft sowie die vorsorgliche Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist gegenüber dem Nachlassgericht und beantragte die Genehmigung der Ausschlagungserklärung durch das Betreuungsgericht. Infolge des Todes der Erblasserin wurde über diesen Antrag nicht mehr entschieden. Das Nachlassgericht bestellte sodann einen Nachlasspfleger für die unbekannten Erben der Erblasserin mit den Aufgabenkreisen Ermittlung der Erben sowie Sicherung und Verwaltung des Nachlasses. Der Nachlasspfleger schlug sodann mit notarieller Urkunde vom 25.03.2021 für die unbekannten Erben der Erblasserin die Erbschaft nach dem vorverstorbenen Ehemann aus und focht vorsorglich eine etwaige Versäumung der Ausschlagungsfrist wegen Irrtums an. Zugleich beantragte er die erforderliche nachlassgerichtliche Genehmigung der Ausschlagungserklärung. Der vom Nachlassgericht in diesem Zusammenhang zur Vertretung der unbekannten Erben in dem notwendigen Genehmigungsverfahren bestellte Verfahrenspfleger trat dem Antrag unter Hinweis auf die Höchstpersönlichkeit des Ausschlagungsrechtes entgegen. Mit Beschluss vom 27.05.2021 erteilte das Nachlassgericht indes die beantragte Genehmigung. Gegen diese Genehmigung legte der Verfahrenspfleger Beschwerde beim Oberlandesgericht ein. Das Oberlandesgericht wies daraufhin den Antrag des Nachlasspflegers auf Genehmigung der Ausschlagungserklärung zurück. Gegen diese Entscheidung des Oberlandesgerichtes legte der Nachlasspfleger Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof ein.

Entscheidung des BGH

Der gemäß § 1960 Abs. 2 BGB zu bestellende Nachlasspfleger ist nicht eine treuhänderische Amtsperson, sondern seine Hauptaufgabe ist es, den Nachlass für den wirklichen Erben zu sichern und zu erhalten, und zwar mit einer nach außen hin grundsätzlich unbeschränkten Vertretungsmacht und Verfügungsbefugnis. Es gehört aber nicht zu den Aufgaben des Nachlasspflegers, darüber zu entscheiden, wem der zu sichernden Nachlass endgültig zufällt. Der Nachlasspfleger ist daher insbesondere nicht berechtigt, die Erbschaft für unbekannte Erben anzunehmen oder auszuschlagen. Nach Auffassung des BGH lässt sich dies sogar unmittelbar aus dem Wortlaut des § 1960 BGB entnehmen, wonach das Nachlassgericht, soweit ein Bedürfnis besteht, „bis zur Annahme der Erbschaft“ die erforderlichen Maßnahmen zur Sicherung des Nachlasses zu treffen und für denjenigen, welcher Erbe wird, einen Nachlasspfleger bestellen kann. Daraus ableitend geht der Bundesgerichtshof damit davon aus, dass eine Ausschlagungsbefugnis seitens des Nachlasspflegers nicht besteht. Dieses Recht steht allein dem Erben bzw. seinen Rechtsnachfolgern, den Erbeserben persönlich zu. Nach Auffassung des BGH ist es auch nicht gerechtfertigt, danach zu differenzieren, ob es sich um die Ausschlagung der Erbschaft nach dem Erblasser oder um eine solche einer in den Nachlass des Erblassers gefallene Erbschaft eines Dritten handelt. In beiden Fällen ist eine persönliche Entscheidung des Erben bzw. Erbeserben, ob die Erbschaft angenommen oder ausgeschlagen werden soll. Hintergrund ist hier vor allem auch die Überlegung des Bundesgerichtshofes, dass die Entscheidung über die Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft von Erben oder Erbeserben nämlich nicht immer nur nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten getroffen wird, sondern vielmehr können hier auch ganz persönliche Überlegungen, insbesondere ein etwaiges besonderes Näheverhältnis zum Erblasser oder der Ruf und das Ansehen der Beteiligten, eine Rolle spielen. Zudem begründet der Bundesgerichtshof diese Entscheidung auch mit ähnlichen Konstellationen in Bezug auf den Testamentsvollstrecker, der ebenfalls nicht zur Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft befugt ist. Schließlich verweist er auch auf die Regelungen in der Insolvenzordnung, wonach gemäß § 83 Abs. 1 InsO die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft wegen ihrer höchstpersönlichen Natur ausschließlich dem Schuldner im Insolvenzverfahren zusteht. Aus diesem Grunde sieht der Bundesgerichtshof keinen Grund, warum dies beim Nachlasspfleger anders sein sollte. Denn die Verpflichtung des Nachlasspflegers den Nachlass zu schützen, begründet ebenfalls kein Recht zur Ausschlagung. Dem Nachlasspfleger stehen andere Möglichkeiten zur Verfügung, den Zugriff von Gläubigern zu beschränken bzw. den Nachlass davor zu schützen (z.B. Einrede der Bedürftigkeit gemäß § 1990, 1991 BGB sowie Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung gemäß § 18 Abs. 1 ZPO).

Resümee

Der Bundesgerichtshof macht einmal mehr sehr klar deutlich, dass die Hauptaufgabe des Nachlasspflegers ist, den Nachlass zu sichern und zu erhalten. Dazu gehört aus seiner Sicht aber eben nicht darüber zu entscheiden, wem letztendlich der Nachlass endgültig zufällt. Er bestätigt einmal mehr in einem klaren und mehr als deutlichen Plädoyer vor allem auch die Höchstpersönlichkeit des Ausschlagungsrechtes der Erben bzw. Erbeserben. Hierauf hat der Bundesgerichtshof immer wieder in einer Vielzahl anderweitiger Entscheidungen bereits verwiesen. Einmal mehr bestätigt er damit auch den Charakter des Ausschlagungsrechtes als persönliche Entscheidung eines Erben, der eben nicht nur materiell, sondern auch vielfach sehr subjektive Motive zugrunde gelegt werden können. Dieses prägende Element des Ausschlagungsrechtes würde entfallen, würde man es zulassen, dieses Recht an einen vom Staat bestellten Amtsinhaber, hier den Nachlasspfleger, zu delegieren. Wäre der Nachlass dann z.B. überschuldet, wäre dies jedes Mal die zwangsläufige Folge. Nach diesseitiger Auffassung dürfte damit aber auch geklärt sein, ohne dass darüber abschließend bereits durch den Bundesgerichtshof entschieden worden ist, dass z.B. ein Sozialleistungsträger von Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld II. weder das Ausschlagungsrecht auf sich überleiten kann noch sich darauf berufen darf, dass die Ausübung aus Gründen der Drittbenachteiligung gemäß § 138 BGB sittenwidrig wäre.

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