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Das Bierzetteltestament

Montag, 13.05.2024 | Person: Mark Wilmking

Das Oberlandesgericht Oldenburg hat mit Beschluss vom 20.12.2023 (Az. 3 W 96/23) entschieden, dass auf dem Notizzettel einer Brauerei, auf dem in der Regel gastronomische Bestellungen notiert werden, ein wirksames Testament errichtet werden kann.

Sachverhalt

Der kinderlose und nicht verheiratete Erblasser, der als gesetzliche Erben lediglich Nichten und Neffen hinterließ, betrieb bis kurz vor seinem Tode eine Gastwirtschaft, die er bereits im Jahre 1994 von seiner Partnerin erworben hatte. Kurz vor seinem Tod hatte der Erblasser einer Bekannten gegenüber mitgeteilt, dass er sich vermehrt Gedanken über seine Nachlassplanung mache und seine Partnerin, die er zu Lebzeiten als „BB“ bezeichnete, alles zukommen lassen wolle. Am 04.12.2022 notierte der Erblasser auf einem Notizzettel einer Brauerei, auf dem üblicherweise Bestellungen der Gastwirtschaft vermerkt werden, Folgendes: „BB kriegt alles AA 04.12.2022“. Diesen Notizzettel verwahrte er anschließend im Schankraum hinter der Theke, in dem er auch andere für ihn wichtige Unterlagen (zum Beispiel nicht gezahlte Deckel etc.) aufzubewahren pflegte. Im Schankraum hatte der Erblasser zu Lebzeiten auch außerhalb seiner gastronomische Tätigkeit viel Zeit verbracht und teilte diesen Bereich der Gastwirtschaft für sich nicht von seinen Privaträumen ab. Das ebenfalls vorhandene Büro nutzte er hierfür nach Überzeugung des Gerichtes hingegen kaum. Das Gericht kam insoweit zu dem Ergebnis, dass der Bereich hinter dem Tresen aus Perspektive des Erblassers eine Art Wohnzimmer darstellte. Er hatte dort nämlich auch häufig gesessen, wenn keine Gäste zugegen waren oder die Gaststätte geschlossen war, um von dort aus durch das Fenster das Treiben auf der Straße zu beobachten.

Auf Basis des aus Sicht der Partnerin formwirksam errichteten privatschriftlichen Testament beantragte diese den Erlass eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin auswies. Dem waren die Neffen und Nichten im Erbscheinsverfahren entgegengetreten. Das Nachlassgericht sah in dem handschriftlich geschriebenen Bierzettel kein formwirksames Testament und kündigte an, zu Gunsten der Nichten und Neffen einen Erbschein zu erlassen. Hiergegen wandte sich die Partnerin mit Ihrem Rechtsmittel.
Auf Basis des aus Sicht der Partnerin formwirksam errichteten privatschriftlichen Testament beantragte diese den Erlass eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin auswies. Dem waren die Neffen und Nichten im Erbscheinsverfahren entgegengetreten. Das Nachlassgericht sah in dem handschriftlich geschriebenen Bierzettel kein formwirksames Testament und kündigte an, zu Gunsten der Nichten und Neffen einen Erbschein zu erlassen. Hiergegen wandte sich die Partnerin mit Ihrem Rechtsmittel.

Entscheidung des OLG Oldenburg

Das Oberlandesgericht Oldenburg hob den Beschluss des Nachlassgerichtes auf. Es wies darauf hin, dass schon die grundsätzliche Ankündigung, zu Gunsten der Nichten und Neffen einen Erbschein zu erlassen, falsch war, weil diese gar keinen Antrag gestellt hatten, sondern vielmehr nur die Partnerin einen auf sich lautenden Erbschein, mit dem sie als Alleinerbin ausgewiesen worden wäre.

Auch inhaltlich folgte aber das Beschwerdegericht nicht dem Nachlassgericht und sah in dem Bierzettel und der handschriftlichen Ausführung des Erblassers, dass die Partnerin alles bekäme, verbunden mit der Unterschrift und Datumsangabe ein wirksames privatschriftliches Testament. Einwendungen gegen die Echtheit wies das Oberlandesgericht Oldenburg zurück und führte insbesondere aus, dass ein Schriftstück, welches die formalen Voraussetzungen des § 2247 BGB (handschriftlich und Unterschrift des Erblassers) erfüllt, immer dann als letztwillige Verfügung gelten kann, wenn diese auf einem ernsthaftem Testierwillen des Erblassers beruht. Der Testierwille grenzt – so das Oberlandesgericht Oldenburg – das Testament von Entwürfen ab, der bloßen Ankündigung der Errichtung eines Testamentes oder sonstigen Schriftstücken, die keine letztwillige Verfügung darstellen sollen, ab. Es muss also außer Zweifel stehen, dass der Erblasser die von ihm erstellte Urkunde als rechtsverbindliche letztwillige Verfügung angesehen hat oder zumindest das Bewusstsein hatte, die Urkunde könne als Testament angesehen werden. Das Oberlandesgericht Oldenburg führte ferner aus, dass strenge Anforderungen an den Nachweis des Testierwillens zu stellen sind, wenn die Form des Schriftstückes nicht den für Testamenten üblichen Gepflogenheiten entspricht. Es grenzte aber diesen Grundsatz auch wieder dahingehend ein, dass allein der Umstand, dass das formgültige Schriftstück sich auf einer ungewöhnlichen Unterlage befindet (zum Beispiel Notizzettel oder Briefumschlag), dies nicht den zwingenden Schluss zulasse, dass es sich bei dem Schriftstück nur um einen Entwurf handelte oder keine verbindliche letztwillige Verfügung darstelle.

Unter Beachtung dieser Maßstäbe war das Oberlandesgericht Oldenburg nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und auch der persönlichen Anhörung der Partnerin davon überzeugt, dass der Erblasser das Schriftstück vom 04.12.2022 mit Testierwillen errichtet hatte. Denn durch die Beweisaufnahme war festgestellt worden, dass der Erblasser sich Gedanken über seine Rechtsnachfolge gemacht hatte und dabei ganz konkret auch seine Partnerin im Blick hatte, dass diese alles erhalten solle. Insbesondere führte das Oberlandesgericht Oldenburg aus, dass der Erblasser, der generell wenig Wert auf Schriftwechsel o.ä. stellte, es eben nicht fernliegend sei, dass er für die Abfassung seines letzten Willens einen Zettel nutzte, welcher für ihn direkt greifbar war und nicht auf ein Blatt ohne Werbeaufdruck zurückgriff. Auch die Verwahrung hinter dem Tresen bei den nicht bezahlten Rechnungen spräche daher nicht gegen die Annahme des Testierwillens. An diesem Ort legte der Erblasser ja offensichtlich für ihn wichtige Schriftstücke ab, so dass aus seiner individuellen Sicht es naheliegend war, auch dort ein Testament zu hinterlegen.
Auf Basis des aus Sicht der Partnerin formwirksam errichteten privatschriftlichen Testament beantragte diese den Erlass eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin auswies. Dem waren die Neffen und Nichten im Erbscheinsverfahren entgegengetreten. Das Nachlassgericht sah in dem handschriftlich geschriebenen Bierzettel kein formwirksames Testament und kündigte an, zu Gunsten der Nichten und Neffen einen Erbschein zu erlassen. Hiergegen wandte sich die Partnerin mit Ihrem Rechtsmittel.

Resümee

Einmal mehr zeigt die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Oldenburg deutlich auf, dass es für die Feststellung des Testierwillens stets auf die Umstände des Einzelfalles ankommt. Das Gericht hat hierbei alle ihm zur Verfügung stehenden Beweismittel und Umstände im Zusammenhang mit der Testamentserrichtung zu recherchieren und im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sodann zu bewerten. Im Ergebnis kommt es also nicht darauf an, auf welcher Unterlage der Erblasser sein Testament errichtet hat, sofern nur sein Testierwille klar und deutlich zum Ausdruck gebracht worden ist. Interessant wird sein, mit welchen weiteren ungewöhnlichen Unterlagen zur Errichtung eines Testamentes sich die Gerichte in Zukunft noch auseinandersetzen werden. Denn nachdem zuletzt das Oberlandesgericht München im Jahr 2020 sich mit dem Notizzetteltestament beschäftigte und das Oberlandesgericht Köln im Jahre 2021 mit dem Holztischtestament, kommt nun mit dem Bierzetteltestament eine dritte Variante hinzu. Angesichts der fortschreitenden Digitalisierung wird es spannend sein, welche weiteren Varianten demnächst zur Entscheidung anstehen könnten.

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