Freitag, 21.08.2020

Keine Pflicht des Arbeitgebervertreters, mit dem Betriebsrat und der Belegschaft in deutscher Sprache zu kommunizieren

Ein Beitrag von Silke Allerdissen
 
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg hat in einem am 12.08.2020 veröffentlichten Beschluss vom 18.06.2020 (Az: 1 TaBV 33/19) entschieden, dass der Betriebsrat nicht verlangen kann, dass der Vertreter des Arbeitgebers in Gesprächen mit dem Betriebsrat in deutscher Sprache kommuniziert und diese Sprache versteht, wenn gewährleistet ist, dass jeweils entsprechende Übersetzungen erfolgen. Ein Anspruch des Betriebsrats darauf, dass der Arbeitgeber bzw. sein Vertreter mit Mitarbeitern immer in deutscher Sprache kommunizieren muss, ergebe sich auch nicht – vorausgesetzt es gibt keine arbeitgeberseitigen Vorgaben zur Verwendung einer Sprache – aus einer Verletzung von § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Das LAG Nürnberg folgte damit der Argumentation des Arbeitgebers und bestätigte das zuvor in dieser Sache ergangene Entscheidung des Arbeitsgerichts Nürnberg (Beschluss vom 09.10.2019 – 12 BV 31/19).
 
Vereinbarung zur Betriebssprache Deutsch
 
Der Betriebsrat eines spanischen Bekleidungsunternehmens mit rund 80 Filialen in Deutschland und circa 4.500 Mitarbeitern begehrte die Unterlassung mit Mitgliedern des Betriebsrates sowie mit Arbeitnehmern in einer anderen Sprache als der deutschen Sprache zu kommunizieren.
 
In der betroffenen Filiale, in der 64 Arbeitnehmer beschäftigt sind, kommunizierte die Filialleiterin in englischer Sprache. Übersetzungen fanden nur dann statt, wenn den zuständigen leitenden Angestellten eine solche Übersetzung leicht viel, da sie die deutsche Sprache nicht sicher beherrschten. Bei sämtlichen Gesprächen mit Betriebsratsmitgliedern stand eine Kraft zur Verfügung, die im Bedarfsfall übersetzen kann. Aufgrund der Beschwerde einiger Angestellter verlangte der Betriebsrat die Kommunikation auf Deutsch. Die Betriebsparteien vereinbarten sodann eine „Regelungsabsprache zur Betriebssprache Deutsch“, in der unter anderem festgehalten wurde, dass die Betriebssprache Deutsch ist und die Kommunikation zwischen Mitarbeitern und Kunden in der Betriebssprache Deutsch zu erfolgen hat.
 
Der Betriebsrat sah im Falle der Nichteinhaltung dieses Gebots die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmervertretung verletzt, da es sich um Fragen „der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer“ handele, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz, insbesondere nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, mitbestimmungspflichtig seien.
 
Der Arbeitgeber hingegen vertrat die Auffassung, das Begehren des Betriebsrates würde dazu führen, dass nur deutschsprachige Mitarbeitende als Führungskräfte eingesetzt werden könnten, was einen unzulässigen Eingriff in die unternehmerische Freiheit darstellen und wodurch die Filialleiterin wegen ihrer Herkunft diskriminiert würde. Zudem seien in der betroffenen Filiale Personen aus einem Dutzend verschiedener Länder angestellt, die unterschiedliche Sprachen sprechen würden. Außerdem sei die geschlossene Regelungsabrede unpraktikabel gewesen und nach ihrem Auslaufen nicht verlängert worden. Es fänden auch größtenteils Übersetzungen in die deutsche Sprache statt.
 
Keine Verpflichtung zur Kommunikation in Deutsch
 
Das LAG Nürnberg folgte der Argumentation des Arbeitgebers und hielt zunächst fest, dass das Begehren, die Kommunikation allein in deutscher Sprache zu führen, eine Handlungs- und keine Unterlassungsverpflichtung darstelle.
 
Eine Verpflichtung zur Kommunikation in deutscher Sprache folge weder aus dem im Betriebsverfassungsgesetz enthaltenen Verbot der Behinderung der Betriebsratsarbeit (§ 78 BetrVG), noch werde der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG verletzt. Ein Anspruch des Betriebsrats folge auch nicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, da es nicht um eine allgemeine Ordnungsregel im Betrieb gehe.
 
Übersetzung lässt Kommunikation in anderer Sprache zu
 
Das LAG Nürnberg hielt aber fest, dass etwa Erklärungen des Arbeitgebers in Schrift- oder Textform zumindest dann in deutscher Sprache verfasst sein müssten, wenn Betriebsratsmitglieder die vom Arbeitgeber befürwortete Fremdsprache nicht beherrschen. Das Gericht sah es als entscheidend an, dass die Texte in deutscher Sprache bei dem Betriebsrat ankommen. Das gelte auch für mündliche Erklärungen des Arbeitgebers. Im konkreten Fall habe der Arbeitgeber aber gewährleistet, dass Erklärungen der Filialleitung solche von Betriebsratsmitgliedern übersetzt werden. Der Einsatz eines Dolmetschers stehe einer vertrauensvollen Zusammenarbeit außerdem nicht entgegen. Es könne vom Arbeitgeber nicht verlangt werden, dass auf Mitarbeiterversammlungen nur Deutsch gesprochen werde. Es sei nicht erkennbar, so das LAG wörtlich, „aus welchem Grund der Arbeitgeber verpflichtet sein sollte, mit Arbeitnehmern, die die englische Sprache gut – vielleicht sogar besser als die deutsche – beherrschen, nur in deutscher Sprache reden zu dürfen. Hierfür gibt es weder nachvollziehbare Gründe noch ein Bedürfnis.“
 
Durch die im Einzelfall gewährleistete Übersetzung sei zudem sichergestellt, dass eine zur Wahrnehmung der Mitbestimmungsrechte ausreichende Kommunikation erfolgen kann.
 
Ausgewogene und praxisnahe Entscheidung
 
Der Beschluss des LAG Nürnberg berücksichtigt die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Betriebsparteien, ohne daran überhöhte Anforderungen zu stellen. Die ausreichende Sicherstellung einer nachvollziehbaren Kommunikation wird mit den praktischen Bedürfnissen und Gegebenheiten in einem Betrieb praxisgerecht gelöst. Das Gericht macht deutlich, dass der Arbeitgeber die Sprache im Betrieb bestimmt und der Betriebsrat nicht verlangen kann, dass Deutsch gesprochen wird. Das Gericht erkennt in dem Beschluss zwar durchaus, dass eine Kommunikation über Mittler, wie etwa Dolmetscher, die Gesprächsführung erschweren kann. Es gebe in der Praxis andere Erschwerungen, die der Betriebsrat ebenso hinzunehmen hat, wie etwa in dem Fall, dass der Arbeitgeber eine Vertretung einsetzt, die zwar Deutsch spricht, aber selbst keine Entscheidungen treffen kann. Es ist begrüßenswert, dass das Gericht erkennbar auf die Möglichkeit der Wahrnehmung von Erklärungen abstellt. Denn darum geht es in der Sache. Das LAG erkennt auch, dass das Risiko ungenauer Übersetzungen ohnehin zu Lasten des Arbeitgebers geht, der also ein eigenes Interesse an der Sicherstellung der Wahrnehmbarkeit seiner Erklärungen hat.