Freitag, 21.01.2022

Geltung der Mindesthonorarsätze und der EuGH
Entscheidung des EuGH: HOAI-Mindestsätze zwischen Privaten anwendbar!

Ein Beitrag von Lionel Patting

Einleitung

Infolge des „HOAI-Urteils“ des EuGH vom 04.07.2019 (C-377/17), mit welchem der EuGH verbindliche Mindest- und Höchstsätze der HOAI für unionsrechtswidrig erklärt hatte, hatte der deutsche Gesetzgeber die Regelungen zum Honorar von Ingenieur- und Architektenleistungen geändert und es war ein lebhafter Streit in Rechtsprechung und Literatur darüber entbrannt, wie sich das sog. „HOAI-Urteil“ aus Juli 2019 auf Streitigkeiten zwischen Privaten auswirke.
 
Entscheidung des EuGH vom 18.01.2022

Nunmehr hat der EuGH mit Urteil vom 18.01.2022 in der Rechtssache C-261/20 erkannt, dass obwohl der Gerichtshof  festgestellt habe, dass die deutsche Regelung, die Mindesthonorare für die Leistungen von Architekten und Ingenieuren festsetzt (HOAI), gegen die Dienstleistungsrichtlinie verstößt, ein nationales Gericht, bei dem ein Rechtsstreit zwischen Privatpersonen anhängig ist, nicht allein aufgrund des Unionsrechts verpflichtet sei, diese deutsche Regelung unangewendet zu lassen.
 
Dieses Ergebnis ist angesichts der anderslautenden Schlussanträge des Generalanwalts, der die Nichtanwendung der entsprechenden HOAI-Normen auch zwischen Privaten befürwortete, erstaunlich. In seinen Schlussanträgen hatte der Generalanwalt zahlreiche Ausnahmen des sog. „Verbots der horizontalen Drittwirkung“ herausgearbeitet und kam zu dem Ergebnis, dass auch eine Richtlinie ausnahmsweise unmittelbare Wirkung entfalten könne.
 
Dem erteilt der EuGH allerdings eine Absage.
 
Aus dem Umstand, dass der EuGH einen Richtlinienverstoß der Bundesrepublik festgestellt habe, folge also nicht, dass die zuständigen nationalen Gerichte und Verwaltungsbehörden allein aufgrund eines solchen Urteils (das sich nicht an Privaten, sondern an einen Mitgliedsstaat richtet) verpflichtet seien, im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Privaten eine nationale Regelung, die gegen die Bestimmung einer Richtlinie verstößt, unangewendet zu lassen.
 
Dies gilt jedenfalls in Bezug auf Urteile, die – wie das HOAI-Urteil aus Juli 2019 – die Festlegung der Aufgaben der Mitgliedstaaten im Fall der Verletzung ihrer Pflichten zum Gegenstand haben, und nicht die Verleihung von Rechten an Einzelne.
 
Laufende Verfahren
 
Auf laufende Aufstockungsklagen kann sich das Urteil des EuGH insofern auswirken, soweit die Anwendung der entsprechenden Normen in Frage steht – und die etwa wegen der bislang unklaren Rechtslage – ausgesetzt worden sind.
 
Das Urteil des EuGH wirkt sich grundsätzlich auch auf die Frage des Verhältnisses zwischen Unionsrecht und nationalem Recht aus und hat weit über das Bau- und Architektenrecht hinausreichende Folgen.