Donnerstag, 23.07.2020

Das Führen eines Fahrtenbuches kann auch bei erstmaligem Verkehrsverstoß angeordnet werden

Ein Beitrag von Thomas Brinkmann
 
Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt hat mit Beschluss vom 02.02.2020 – 3 M 16/20 – die Voraussetzungen für die Anordnung der Verwaltungsbehörde zur Führung eines Fahrtenbuchs bei einem erstmaligen Verkehrsverstoß dargelegt und festgestellt, dass bei einer unterbliebenen Rücksendung eines dem Fahrzeughalter übersandten Anhörungs- oder Zeugenfragebogens zur Ermittlung des Fahrzeugführers die zuständige Behörde nicht gehalten ist, weitere umfangreiche Ermittlungen anzustellen und selbst ein Zeugnisverweigerungsrecht den Halter nicht vor der Führung eines Fahrtenbuches bewahrt. Das gilt auch dann nicht, wenn ein erst- oder einmaliger Verkehrsverstoß von erheblichem Gewicht vorliegt.
 
Wann kann das Führen eines Fahrtenbuches angeordnet werden?
 
Die Anordnung des Führens eines Fahrtenbuches setzt nach § 31a Abs. 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) voraus, dass ein Verstoß gegen Verkehrsvorschriften in tatsächlicher Hinsicht feststeht. Dabei genügt es, anders als im Strafprozess, wenn mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass ein Verkehrsverstoß begangen worden ist. Auch der Amtsermittlungsgrundsatz verpflichtet die Behörde nicht, ohne konkreten Anlass gewissermaßen „ins Blaue hinein“ das Ergebnis einer Geschwindigkeitsmessung zu hinterfragen. Dies ist erst dann geboten, wenn der Fahrzeughalter auf Unstimmigkeiten der Messung und deren Dokumentation hinweist oder auf andere Weise einen Messfehler aufzeigt.
 
Was passiert, wenn der Fahrzeugführer nicht festgestellt werden kann?
 
Nach § 31a Abs. 1 S. 1 StVZO ist die Feststellung des Fahrzeugführers unmöglich, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Lehnt der Fahrzeughalter erkennbar die Mitwirkung bei der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, muss die Behörde nicht zeitraubende und kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen betreiben. Die zuständige Behörde darf aber andererseits ihre Ermittlungstätigkeit nicht einschränken und sich ihre Aufgabe dadurch erleichtern, indem sie vorschnell von der Möglichkeit Gebrauch macht, dem Halter eines Kraftfahrzeugs die Führung eines Fahrtenbuches aufzuerlegen. Weitere Ermittlungen waren nach Auffassung des OVG in Anbetracht des Verhaltens der Fahrzeughalterin aber nicht geboten. Sendet der betreffende Fahrzeughalter den Anhörungs- oder Zeugenfragebogen unausgefüllt und kommentarlos oder überhaupt nicht zurück, darf die Bußgeldstelle aus diesem Verhalten grundsätzlich davon ausgehen, dass der Halter nicht willens ist, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. In einem solchen Fall braucht die Behörde auch keine weiteren aufwändigen und zeitraubenden Ermittlungsmaßnahmen durchführen.
 
Zeugnisverweigerungsrecht bewahrt nicht vor Fahrtenbuchauflage
 
Das OVG weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass kein „doppeltes Recht“ des Fahrzeughalters besteht, nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Bußgeldverfahren die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben. Ein solches Recht widerspräche dem Sinn und Zweck des § 31a StVZO, nämlich der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs zu dienen.
 
Auch die erstmalige Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuches ist damit verhältnismäßig, wenn es sich um einen Verkehrsverstoß von erheblichem Gewicht handelt. Dies ist in der Regel der Fall, wenn der Verkehrsverstoß zu einer Eintragung in das Verkehrszentralregister mit mindestens einem Punkt führt. Auf die konkreten Umstände des Einzelfalles kommt es nach Auffassung des OVG dabei nicht an.