Dienstag, 12.09.2023

Bei Ehrenamtlichen Tätigkeiten für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften gilt der Unfallversicherungsschutz

Ein Beitrag von Hannah Werwath

Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 08.12.2022 – B 2 U 19/20 R entschieden, dass ein Unfall auf dem Weg zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit, welche mit Zustimmung der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft als Unternehmerin an die privatrechtliche Organisation der im Ehrenamt tätigen Person gerichtet wurde, als Arbeitsunfall durch den Unfallversicherungsschutz getragen wird.

1.
Die Klägerin war Mitglied eines Amateurfrauenchors, welcher ein öffentliches Adventssingen am 03.12.2022 in den Räumlichkeiten der evangelischen Kirche darbieten wollte. Der Auftritt und die Raumnutzung wurden von der Vorsitzenden des Amateurchores mit dem Pfarrer abgesprochen. Die Veranstaltung wurde als „Weihnachtskonzert“ in den kirchlichen Nachrichten angekündigt. Eine Aufwandsentschädigung oder Zuwendung für die Mitglieder des Chores war nicht vorgesehen. Die Klägerin verunglückte zusammen mit zwei weiteren Chormitgliedern als Insassen mit Ihrem PKW auf dem Weg zu diesem Konzert. Die Klägerin selbst trug schwere Verletzungen und Langzeitschäden davon, die Insassen hingegen nur leichte Verletzungen. In erster Instanz hat das Sozialgericht den Unfall als Arbeitsunfall beurteilt. Das Landessozialgericht hob diese Entscheidung mit der Begründung der eigenwirtschaftlich geprägten Handlungstendenz der Klägerin wieder auf. Das BSG schloss sich der ursprünglichen Entscheidung des Sozialgerichts an.
 
2.
Der Unfall habe sich auf dem Weg zur ehrenamtlichen Tätigkeit ereignet und sei ein Unfallversicherter Arbeitsunfall nach §8 SGB VII.  Für einen Versicherungsschutz der ehrenamtlichen Chorsängerin genüge es, dass die öffentlich-rechtliche Kirche Ihre Zustimmung gegenüber der privatrechtlichen Organisation erteilt hat und das Konzert in den Kirchennachrichten verkündet hat. Die Klägerin hat die Tätigkeiten innerhalb ihres Pflichtenkreises der privatrechtlichen Organisation wahrgenommen. 
 
a.
Das Gericht hat zudem klargestellt, dass nach dem Wortlaut eine ehrenamtliche Tätigkeit der „Ehre“ wegen erfolgt und somit keine Vergütung erfolgen darf. Auch sei systematisch typologisch vorauszusetzen, dass dem allgemeinen Arbeits- und Erwerbsleben die Tätigkeit eines/r Chorsängers/in in einem Amateurchor nicht zugänglich sei. Die Dauer und Häufigkeit der ehrenamtlichen Tätigkeit sind dabei grundsätzlich irrelevant. Auch persönliche Motive, wie Leidenschaft und Freude an der Tätigkeit, seien als Teil der ehrenamtlichen Tätigkeit anzusehen und stehen dieser nicht entgegen. Dass die Klägerin kein Amt zugewiesen bekommen habe, sei bei privatrechtlichen Organisationen nicht entscheidend, da diese Organisationen keine Ämter vergeben. Lediglich der Aufgabenbereich und die Pflichten der einzelnen Mitglieder seien vorher festzulegen.
 
b.
Um zunehmendes ehrenamtliches Engagement im Pflichtenkreis der Kirche zu honorieren sei der
§2 I Nr.10 b SGB VII so verändert worden, dass nicht nur Ehrenamte mit direkter Verbindung zur Religionsübung unfallversichert sind, sondern fortan auch Ehrenämtler/innen, die für öffentlich- rechtliche Religionsgemeinschaften oder privatrechtliche Organisationen mit ausdrücklicher Einwilligung der Religionsgemeinschaft tätig werden. Aus dem Sinn und Zweck dieser Norm ergibt sich, dass Ehrenämtler/innen, wie die Klägerin, die nicht unmittelbar eine Einwilligung der öffentlich- rechtlichen Religionsgemeinschaft erhalten, dennoch kraft Gesetzes unfallversichert sind, da sie für die Erfüllung der Aufgabe der privatrechtlichen Organisation tätig werden.
 
3.
Mithin umfasst die Ausweitung des Unfallversicherungsschutzes nach §2 I Nr.10 b SGB VII weitgreifender Kreise von ehrenamtlich Tätigen, die für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften  auch außerhalb der Religionsausübung tätig werden.