Freitag, 01.07.2016

Nichtige Beschlüsse der Mitgliederversammlung

Einführung
Das Oberlandesgericht Stuttgart bestätigt in seinem Urteil vom 08.07.2015 die bisher herrschende Rechtsprechung hinsichtlich der Voraussetzung für die Abberufung eines Versammlungsleiters. Zuvor genanntes Urteil beschäftigte sich mit der Anfechtung von Beschlüssen der Hauptversammlung der Porsche SE u.a. aufgrund von angeblichen Fehlern im Rahmen der Versammlungsleitung. Das Urteil des OLG Stuttgart ist auf den Verein übertragbar und ist damit von Vereinsvorständen und die Mitgliederversammlung organisierenden / vorbereitenden Geschäftsstellen zu berücksichtigen.
 
Problemdarstellung
Die Mitgliederversammlung wird in den meisten Fällen durch den Vorstandsvorsitzenden des Vereins geleitet. Oftmals werden sich aber keine Gedanken darüber gemacht, ob dies richtig ist und ob und wie ein alternativer Versammlungsleiter durch die Mitgliederversammlung bestimmt werden kann. Fehler bei der Auswahl des Versammlungsleiters können im Extremfall bis zur Nichtigkeit der in der Mitgliederversammlung gefassten Beschlüsse führen.
 
Rechtliche Bewertung
Ausschlaggebend ist zunächst die Vereinssatzung. Findet sich dort keine Regelung zum Versammlungsleiter fällt diese Aufgabe grundsätzlich zunächst dem Vorstandsvorsitzenden als „Leiter“ des Vereins zu. Die Mitgliederversammlung ist in Fällen fehlender Satzungsbestimmungen aber auch berechtigt einen alternativen Versammlungsleiter zu wählen. Dabei ist es allerdings in der Rechtsprechung umstritten, ob entsprechende Beschlüsse einstimmig oder mit dem für sonstige Beschlüsse notwendigen Mehrheitserfordernis gefasst werden können. Diesseits wird die Auffassung vertreten, dass für die Wahl eines Versammlungsleiters bei fehlender Satzungsbestimmung die Einhaltung der Mehrheitserfordernisse für Beschlüsse in der Mitgliederversammlung ausreichend ist. Etwas anderes kann nur gelten, wenn die Wahl des zur Verfügung stehenden Versammlungsleiters eine Verletzung gegen Treu und Glauben, d. h. insbesondere gegen Rechte der Minderheit, darstellen würde.
Ist in der Satzung aber ein Versammlungsleiter bestimmt, regelmäßig der Vorstandsvorsitzende (bei seiner Verhinderung sein Stellvertreter), dann ist diese Regelung auch für die Mitgliederversammlung bindend. Ein alternativer Versammlungsleiter kann in diesen Fällen nur dann durch die Mitgliederversammlung bestimmt werden, wenn es dieser aufgrund schwerwiegender Verfahrensverstöße oder aus ähnlich ebenso gewichtigen Gründen nicht zumutbar wäre, in der Person des nach der Satzung bestimmten Versammlungsleiters festzuhalten. Dabei setzt bereits die Zulassung einer Abstimmung über die Abwahl des Versammlungsleiters die schlüssige Darlegung solcher wichtiger Gründe voraus. Anderenfalls ist der amtierende Versammlungsleiter nicht gezwungen eine solche Abwahl überhaupt durchzuführen. Es ist allerdings anerkannt, dass für den Fall der Wiederwahl des satzungsrechtlich bestimmten Versammlungsleiters, z. B. des Vorstandsvorsitzenden, ein abweichender Wahlleiter bestimmt werden kann. Dies ist insofern notwendig, als dass bei der Leitung der Versammlung durch den zu Wählenden ein offensichtlicher Interessenkonflikt vorliegt. Sollte es jedoch trotz eindeutiger Satzungsbestimmung und fehlender wichtiger Gründe für den Wechsel des Versammlungsleiters dazu gekommen sein, dass ein anderer als der in der Satzung bestimmte Versammlungsleiter die Versammlung leitet, sind die sodann gefassten Beschlüsse nur dann nichtig, wenn das Verhalten des Versammlungsleiters für das Beschlussergebnis relevant war und eine abweichende Beschlussfassung bei Leitung der Versammlung durch den satzungsrechtlich bestimmten Versammlungsleiter zumindest möglich gewesen wäre. In der Rechtsprechung ist umstritten, ob bei fehlender Relevanz der Verfahrensfehler insgesamt unbeachtlich oder die gefassten Beschlüsse zumindest bei rechtzeitiger Rüge anfechtbar sind.
 
Lösungsweg
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 08.07.2015 zeigt erneut, dass bei der Errichtung der Vereinssatzung größtmögliche Sorgfalt an den Tag zu legen ist. Es ist zu empfehlen bei der Gestaltung der Vereinssatzung die Leitung der Mitgliederversammlung derart zu regeln, dass zwar ein Versammlungsleiter, z. B. der Vorstandsvorsitzende, ausdrücklich benannt
wird, der Mitgliederversammlung aber die Möglichkeit offen gehalten wird jederzeit ohne wichtigen Grund einen alternativen Versammlungsleiter zu bestimmen. Um in diesen Fällen aber auch die Rechte der Minderheiten im Verein zu berücksichtigen, ist für die Fassung eines solchen Beschlusses zumindest eine 2/3-Mehrheit der anwesenden und stimmberechtigten Mitglieder sinnvoll.