Dienstag, 11.04.2023

Zum Kündigungserfordernis eines privaten Krankenversicherungsvertrages bei Übertritt des Versicherungsnehmers in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV)

Ein Beitrag von Marko Friedrichs
 
Problemstellung:
 
In der Gerichtspraxis immer wieder zu beobachten und daher aktueller denn je ist die Frage nach dem Schicksal eines privaten Krankenversicherungsvertrages für den Fall, dass Privatversicherte kraft Gesetzes Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung werden, weil sie beispielsweise ihre selbständige Tätigkeit aufgeben und eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung als Angestellte aufnehmen (§ 5 SGB V).
 
Viele Versicherte sind dann in dem Glauben, dass das Privatversicherungsverhältnis automatisch erlischt und überrascht, sich plötzlich noch Jahre nach dem Übertritt in die gesetzliche Krankenversicherung hohen Beitragsforderungen des privaten Krankenversicherers vor den Gerichten ausgesetzt zu sehen. In diesen Verfahren wird von Seiten der Versicherten dieser Einwand immer wieder vorgebracht mit dem Zusatz, dass man dann doppelt versichert und dies in Deutschland unzulässig sei. Deshalb müsse man die Versicherungsbeiträge für die private Krankenversicherung neben den GKV-Beiträgen nicht zahlen.
 
Hierbei handelt es sich jedoch um eine in der Bevölkerung weitverbreitete Fehleinschätzung.
 
Nach § 205 Abs. 2 VVG können Privatversicherte, die kraft Gesetzes kranken- oder pflegeversicherungspflichtig in der GKV werden, den privaten Krankenversicherungsvertrag kündigen und müssen dem privaten Versicherer gegenüber den nahtlosen Anschlussversicherungsnachweis der GKV erbringen. Diese Vorschrift räumt Privatversicherten lediglich ein Kündigungsrecht ein. Der Versicherte ist bei Übertritt in die GKV also gehalten, dieses Kündigungsrecht auch auszuüben, seinen privaten Krankenversicherungsvertrag zu kündigen und den Folgeversicherungsnachweis zu erbringen! Die aktuellen Musterbedingungen 2009 für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (MB/KK 2009), die Gegenstand der meisten Versicherungsverträge sind, sehen vor, dass Willenserklärungen und Anzeigen gegenüber dem Versicherer in Textform zu erfolgen haben. Ein kurzer Anruf bei seinem Versicherungsvertreter oder Versicherungsmakler, zwecks Anzeige des Übergangs in die GKV genügt also nicht. Der Privatversicherungsvertrag endet eben nicht automatisch. Rückwirkend zum Zeitpunkt des Eintritts in die GKV kann der Vertrag nur innerhalb von drei Monaten gekündigt werden, wenn der Folgeversicherungsnachweis innerhalb von zwei Monaten erbracht wird, nachdem der Versicherer hierzu in Textform aufgefordert hat. Ist die Kündigungsfrist verstrichen, kann der Versicherte das Versicherungsverhältnis erst zum Ende des Monats kündigen, in dem er den Eintritt der Versicherungspflicht nachweist.
 
Der in gerichtlichen Verfahren immer wieder vorgebrachte Einwand, dass ohne eine automatische Beendigung des Privatversicherungsverhältnisses eine unzulässige Doppelversicherung bestünde, greift nicht durch. Das Amtsgericht Dortmund hat sich hierzu zutreffend geäußert (AG Dortmund, Urteil v. 27.08.2019 – 425 C 1969/19).
 
Die Vorschrift des § 205 Abs. 2 S. 1 VVG enthalte kein generelles Verbot einer Doppelversicherung. Sie gewähre Privatversicherten nur ein besonders ausgestaltetes, außerordentliches Kündigungsrecht für den Fall, dass sie kraft Gesetzes kranken- oder pflegeversicherungspflichtig in der GKV werden. Der umgekehrte Fall sei von der Vorschrift nicht erfasst. In diesem Fall können sich Versicherte frei entscheiden, ob sie sich privat versichern lassen möchten oder nicht. Sie würden nicht automatisch in eine Doppelversicherung hineingedrängt, sondern können die Art der Versicherung - freiwillig gesetzlich oder privat - frei wählen.
 
Wird der private Krankenversicherungsvertrag nicht ordnungsgemäß gekündigt, besteht demnach die doppelte Beitragsbelastung und Versicherte haben kaum Chancen, sich gegen Beitragsforderungen des Privatversicherers vor den Gerichten mit Erfolg zu wehren.