Freitag, 16.10.2020

Wird ein Dienstwagen einem freigestellten Betriebsratsmitglied auch zur privaten Nutzung überlassen, kann hierin ein Verstoß gegen das Begünstigungsverbot liegen

Ein Beitrag von Hamid Afroozesh Kobdeh

Das LAG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 11.02.2020 (Az. 7 Sa 997/19) entschieden, dass die Überlassung eines Dienstwagens an ein freigestelltes Betriebsratsmitglied auch zur privaten Nutzung gegen das Begünstigungsverbot des § 78 BetrVG verstößt, wenn dem Betriebsratsmitglied ohne diese Funktion ein Dienstwagen nicht zugestanden hätte.

Sicherung der Unabhängigkeit der Amtsausübung

Nach § 78 Satz 2 BetrVG dürfen betriebsverfassungsrechtliche Gremien in der Wahrnehmung ihrer Funktion weder benachteiligt noch begünstigt werden, weil andernfalls die vom Gesetz geschaffene Mitbestimmungsordnung nicht funktionieren kann. Normzweck ist die Sicherung der inneren und äußeren Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder in ihrer Amtsausübung. Die Erreichung dieses Zweckes wird dadurch abgesichert, dass § 78 BetrVG zwingend gilt, also nicht durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder eine einzelvertragliche Verzichtserklärung aufgehoben werden kann.

Für eine Begünstigung genügt bereits die objektive Besserstellung gegenüber Nichtbetriebsratsmitgliedern, ohne dass es einer Begünstigungsabsicht des Begünstigenden bedarf. Eine nach § 78 Satz 2 BetrVG untersagte Begünstigung ist mithin jede Besserstellung im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern, die nicht auf sachlichen Gründen, sondern auf der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied beruht.

Arbeitgeber verlangt die Rückgabe des Dienstwagens

Der Kläger, der bei der Beklagten seit Dezember 1992 als KFZ-Mechaniker eingestellt und später als Teamleiter tätig war, wurde bereits kurz nach Beginn seines Arbeitsverhältnisses in den Betriebsrat gewählt und war mit Unterbrechungen bis März 2018 freigestellter Betriebsratsvorsitzender und Mitglied des Gesamtbetriebsrats. Danach wurde er freigestelltes Betriebsratsmitglied für die Vertriebsregion Berlin, die sich auf mehrere Standorte verteilt.

Zur Ausübung seines Betriebsratsamts hatte die Beklagte dem Kläger seit 2001 einen Dienstwagen überlassen, den er auch privat nutzen durfte und dessen geldwerter Vorteil er mit ca. 400 € monatlich versteuern musste. Hierzu hatten die Parteien eine Überlassungsvereinbarung geschlossen, die für die Nutzungsberechtigung auf die jeweils neueste Fassung der „Bedingungen für die Überlassung der Nutzung persönlicher Dienstwagen“ Bezug nahm und die Rückgabe des Fahrzeugs unter anderem in den Fällen vorsah, in denen der „dienstliche Grund für die Überlassung entfallen ist“. Eine flankierende Dienstwagenrichtlinie sah unter anderem vor, dass eine funktionsbedingte Überlassung eines persönlich zugeordneten Dienstwagens erfolgen könne, wenn der Reiseaufwand mehr als 50 % der Tätigkeit einnehme und regelmäßig ganztägig an verschiedenen Arbeitsstätten außerhalb der ersten Tätigkeitsstätte ausgeführt werden müsse.

Im April 2018 forderte die Beklagte die Rückgabe des Dienstwagens. Als Begründung verwies sie darauf, dass der Kläger nicht mehr Betriebsratsvorsitzender, sondern freigestelltes Mitglied des Betriebsrats sei, weshalb die Voraussetzungen für die Überlassung eines Dienstwagens nach der Dienstwagenrichtlinie nicht mehr vorlägen.

Der Kläger gab daraufhin den Dienstwagen an die Beklagte zurück, wandte sich allerdings gerichtlich gegen das Rückgabeverlangen der Beklagten und verlangte auf der Grundlage der Überlassungsvereinbarung die weitere Bereitstellung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung, weil in seiner Tätigkeit als Betriebsratsmitglied sein Reiseaufwand 50 Prozent seiner Arbeitszeit übersteige, so dass die Voraussetzungen der Dienstwagenrichtlinie zur Überlassung erfüllt seien.

Erstinstanzlich war der Kläger mit seinem Vorbringen noch erfolgreich. Im Rahmen der Berufung vor dem LAG Berlin-Brandenburg wurde das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.
 
Überlassung des Dienstwagens verstößt gegen das Begünstigungsverbot

Das LAG Berlin-Brandenburg urteilte, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, dem Kläger einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung zu stellen, denn eine solche Überlassung verstoße gegen das Begünstigungsverbot nach § 78 Satz 2 BetrVG.

Im Bereich der Vergütung führt das Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG dazu, dass die Gewährung von Vergütungsbestandteilen untersagt ist, die das Betriebsratsmitglied nicht erhalten hätte, wenn es keine Betriebsratstätigkeit erbracht, sondern gearbeitet hätte (so schon BAG, Urteil vom 20.08.2018, 7 AZR 206/17). Betriebsratsmitglieder werden nicht für ihre Tätigkeit als Betriebsrat vergütet, sondern erhalten nach dem in § 37 Abs. 2 BetrVG geregelten Lohnausfallprinzip dasjenige Arbeitsentgelt, das sie nach § 611 Abs. 1 BGB ohne Freistellung verdient hätten.

An diesen Grundsätzen gemessen sei bereits die im Jahre 2001 geschlossene Überlassungsvereinbarung gem. § 78 Satz 2 BetrVG i.V.m. § 134 BGB nichtig, denn wäre der Kläger kein freigestelltes Betriebsratsmitglied, hätte er als Kfz-Mechaniker bzw. als Teamleiter gearbeitet. Als Kfz-Mechaniker bzw. Teamleiter hatte er, das war zwischen den Parteien unstreitig, keinen Anspruch auf Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung. Ihm sei der Dienstwagen deshalb nur für die Ausübung seines Betriebsratsamtes überlassen worden. Mit der gleichzeitigen Einräumung der privaten Nutzung habe der Kläger einen geldwerten Vorteil erhalten, den er ohne die Stellung als Betriebsrat nicht erhalten hätte.

Ein solcher Vorteil verstoße gegen das Begünstigungsverbot aus § 78 Satz 2 BetrVG.

Ein Anspruch auf Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung bestehe nur dann, wenn die Beklagte dem Kläger schon vor seiner Freistellung zum Betriebsrat einen Dienstwagen gewährt, oder er sich in eine Position entwickelt habe, die zum Anspruch auf die private Nutzung des Dienstwagens berechtige. Beides war aber nicht der Fall.

Das LAG Berlin-Brandenburg stellte zudem klar, dass die Beklagte an der der Überlassung zugrundeliegenden Vereinbarung der Parteien nicht festgehalten werden könne, weil diese gegen ein Verbotsgesetz verstoße und nichtig sei. Der Kläger könne sich deshalb nicht auf diese Vereinbarung stützen, um eine weitere Bereitstellung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung zu verlangen.

Praxistipp

Für die arbeitsrechtliche Praxis bedeutet dies, dass Arbeitgeber bei der Überlassung eines Dienstwagens an Betriebsratsmitglieder zwingend auf die Einhaltung des Begünstigungsverbots zu achten haben und überprüfen sollten, ob nicht eine objektive Besserstellung gegenüber Nichtbetriebsratsmitgliedern vorliegt. An Vereinbarungen mit Betriebsratsmitgliedern zur privaten Dienstwagenüberlassung müssen sich Arbeitgeber bei einem Verstoß gegen das Begünstigungsverbot nicht festhalten lassen und sind grundsätzlich berechtigt, von dem Betriebsratsmitglied die Rückgabe des Dienstwagens zu verlangen.