Mittwoch, 10.06.2020

VW muss getäuschten Diesel-Kunden Schadenersatz zahlen

Ein Beitrag von Sebastian Mesek
 
In seinem Urteil vom 25.05.2020 (Az. VI ZR 252/19), als Presseerklärung vorliegend, hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs Schadenersatzansprüche gegen VW aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB zustehen.
 
Abgasgrenzwerte werden nur für den Prüfstand eingehalten
 
Der Kläger erwarb von einem Autohändler einen Gebrauchtwagen VW Sharan, der mit einem 2,0-Liter Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet ist. Die Beklagte, Herstellerin des Fahrzeugs, baute in alle Fahrzeuge mit diesen Motoren eine Software ein, die erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird und schaltet in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus. Im normalen Fahrbetrieb, also außerhalb des Prüfstands, schaltet der Motor hingegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Maßgeblich für die Erteilung der Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 ist allerdings der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand, der dank der Abschalteinrichtung die Stickoxidgrenze der Euro 5-Norm einhalten konnte.
 
Nachdem die Beklagte im September 2015 öffentlich die Verwendung einer entsprechenden Software einräumte, erging gegen sie ein bestandskräftiger Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) mit nachträglichen Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung, der auch das Fahrzeug des Klägers betraf. Das KBA ging vom Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus und gab der Beklagten auf, diese zu beseitigen und die Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte anderweitig zu gewährleisten. Der Kläger ließ dann im Februar 2017 ein Software-Update durchführen, das die Abschalteinrichtung entfernte.
 
Mit seiner Klage verlangte der Kläger im Wesentlichen die Zahlung des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs. Der BGH sprach dem Kläger ganz überwiegend den begehrten Anspruch zu.
 
Vorsätzliche Sittenwidrige Schädigung des Automobilkonzerns
 
Der BGH entschied, dass die Beklagte dem Kläger aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB haftet. Die bewusste und gewollte Täuschung erfolge insbesondere im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse, wodurch das Verhalten der Beklagten im Verhältnis zum Kläger, der ein mangelhaftes Fahrzeug in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erwirbt, objektiv als sittenwidrig zu qualifizieren und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren sei. Wenn auch nicht durch die verantwortlichen vormaligen Vorstände selbst, wurde die Entscheidung in Bezug auf die Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Software zumindest mit ihrer Kenntnis und Billigung getroffen bzw. jahrelang umgesetzt, sodass das Verhalten nach § 31 BGB der Beklagten als Fahrzeughersteller zuzurechnen ist. Der BGH entschied zudem, dies gelte auch, wenn es sich um den Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs handele.
 
Anrechnung der gefahrenen Kilometer
 
Der Kläger hat einen Schaden dadurch erlitten, dass er ein Fahrzeug erhalten hat, das für seine Zwecke nicht voll brauchbar war, da immer die Gefahr bestand, dass der Schwindel auffliegt und das KBA das Fahrzeug aus dem Verkehr zieht. Er kann daher von der Beklagten Erstattung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangen, muss sich aber die Nutzungsvorteile auf der Grundlage der gefahrenen Kilometer anrechnen lassen, da er nach dem schadenersatzrechtlichen Bereicherungsverbot nicht bessergestellt werden darf, als er ohne den ungewollten Vertragsschluss stünde.