Dienstag, 23.06.2020

Unfallversicherungsschutz bei betrieblicher Gemeinschaftsveranstaltung

Ein Beitrag von Thomas Brinkmann
 
Wann liegt ein Arbeitsunfall vor?
 
Voraussetzung für die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall ist, dass es sich um eine versicherte Tätigkeit gehandelt hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass für die Feststellung eines Unfalls als Arbeitsunfall zwischen der grundsätzlich versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls unterschieden wird, weil nicht das gesamte Handeln und Leben eines versicherten Arbeitnehmers im Laufe seines Arbeitstages unter Versicherungsschutz steht, wie schon aus der Definition des Arbeitsunfalls als Unfall „infolge“ einer versicherten Tätigkeit abzuleiten ist. Betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen sind dabei grundsätzlich versichert. Es muss hier aber die Voraussetzung einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung erfüllt sein:
 
  • Ziel/Zweck der Veranstaltung: Stärkung der Verbundenheit zwischen Unternehmen und Belegschaft sowie letzter untereinander
  • Teilnahme der Unternehmensleitung
  • Teilnahmemöglichkeit für die gesamte Belegschaft, aber kein Zwang
  • Vom Unternehmer mit seiner Autorität getragen, gefördert, nicht bloß geduldet
 
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das LSG Baden-Württemberg – L10 U 289/18 – mit Urteil vom 28.05.2020 einen Sturz beim Skifahren als Arbeitsunfall anerkannt.
 
Fünftägige Reise nach Österreich mit gemeinsamen Aktivitäten der Belegschaft
 
Ein Entwicklungsingenieur nahm 2016 gemeinsam mit anderen Mitarbeitern seines Betriebes an einer vom Arbeitgeber traditionell durchgeführten fünftägigen Reise nach Österreich teil. Es wurden gemeinsam Aktivitäten wie Wandern, Rodeln und Skifahren unternommen. Je nach Interesse und Fähigkeiten, erfolgte die Einteilung in eine der drei Gruppen. An jeder Gruppe nahm zumindest auch eine Führungskraft teil. Nach den Gruppenaktivitäten trafen sich alle Teilnehmer zum gemeinsamen Austausch. Es konnten nur Mitarbeiter des Betriebes teilnehmen. Der Ingenieur als Kläger stürzte beim Skifahren und brach sich den rechten Unterschenkel sowie das Steißbein. Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab, da kein Versicherungsfall vorliegen würde, weil er zur Zeit des Sturzes keine versicherte Tätigkeit verrichtet habe. Das Sozialgericht hat die Klage in erster Instanz abgewiesen.
 
Skifahren im Rahmen einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung ist versicherte Tätigkeit
 
Das LSG Baden-Württemberger hat mit Urteil vom 28.05.2020 – L10 U 289/18 – die Entscheidung des Sozialgerichts aufgehoben und die BG verurteilt, den Skiunfall als Arbeitsunfall anzuerkennen. Der Mitarbeiter habe mit der Teilnahme an der betrieblichen Veranstaltung zwar keine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis erfüllt, jedoch sei die Reise als versicherte betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung zu werten. Aus diesem Grunde seien auch die während der Reise vorgesehenen Aktivitäten versichert. Die Organisation der Aktivitäten in verschiedene Gruppen nach Interesse und Fähigkeiten würde gerade dazu führen, dass alle Mitarbeiter daran teilnehmen könnten, sodass das Gemeinschaftserlebnis gestärkt werden könne, auch mit der Möglichkeit des gegenseitigen Austausch, sodass die betrieblichen Zwecke wie Förderung des Gemeinschaftsgedankens und Stärkung des Wir-Gefühls innerhalb der Belegschaft hätten erreicht werden können. Dies sei auch gruppenintern bei der Skifahrergruppe erreichbar gewesen, durch eine gemeinsame Abfahrt, die zu einer Stärkung des Wir-Gefühls beitragen würde und auch gemeinschaftliche Aufenthalte an den Liften und den Skihütten. Die privaten Interessen der Skifahrer hätten daher nicht im Vordergrund gestanden.