Donnerstag, 25.04.2019

Sozialversicherungspflicht und Säumniszuschläge

Das BSG beschränkt mit seinem Urteil vom 14.12.2018 den Anwendungsbereich der Säumniszuschläge nach § 24 Abs. 2 SGB IV.

Selbstständige sind nicht sozialversicherungspflichtig

Es kommt immer häufiger vor, dass Einzelpersonen sich durch eine selbstständige Tätigkeit ihren Lebensunterhalt verdienen wollen. So bieten beispielsweise Ärzte als sog. Honorarärzte ihre Dienste über Portale an, die diese an Krankenhäuser vermitteln, um einen vorübergehenden Personalbedarf zu decken. Die Honorarärzte entscheiden sich aufgrund der größeren Freiheit bewusst für die selbstständige Tätigkeit und gegen eine Festanstellung. Es stellt sich dabei die Frage, wann ein Honorararzt, eine Pflegefachkraft, ein Koch oder ähnliche Personen tatsächlich selbstständig sind. Die Rechtsprechung beurteilt dies streng, weil Arbeitnehmer Vorteile genießen, wie z.B. den Umstand, dass der Arbeitgeber für sie Sozialversicherungsbeiträge für die gesetzliche Krankenkasse, die Rentenversicherung, die Arbeitslosenversicherung und die Pflegeversicherung abführt. Unternehmer sollen diese Beiträge nicht dadurch umgehen können, dass sie Selbstständige beschäftigen, die von der Sozialversicherungspflicht befreit sind. Eine anderslautende Vereinbarung greift auch dann nicht, wenn der Vertragspartner dem ausdrücklich zustimmt. Nach der Rechtsprechung kommt es nicht allein darauf an, was die Parteien vereinbaren wollten, sondern auf die Gesamtumstände. Viele, die meinen, selbstständig zu sein, führen tatsächlich ein „normales“ (sozialversicherungspflichtiges) Arbeitsverhältnis.

Das Problem mit der Scheinselbstständigkeit

Scheinselbstständigkeit ist zwar vielen ein Begriff, aber die Wenigsten wissen, wie eine abhängige Beschäftigung von einer selbstständigen Tätigkeit abzugrenzen ist. Die Abgrenzung kann auch nur durch einen umfangreichen Abwägungsprozess im Einzelfall erfolgen. Immer wieder kommt es daher vor, dass die Rentenversicherung als zuständige Behörde bei einer Betriebsprüfung oder im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens auf Personen stößt, die zwar vermeintlich als Selbstständige mit dem Unternehmen zusammenarbeiten, jedoch tatsächlich Arbeitnehmer im rechtlichen Sinne und damit sozialversicherungspflichtig sind. Da die Rentenversicherung dann Sozialversicherungsbeiträge für bis zu vier Jahre rückwirkend nachfordern kann, kommen je nach Umfang der Tätigkeit erhebliche Summen zusammen, die der – dann als Arbeitgeber deklarierte – Unternehmer zu tragen hat.

Achtung: Säumniszuschläge

Das ist aber nicht der einzige finanzielle Posten, der dann auf den Unternehmer zukommen kann. In manchen Fällen erhebt die Rentenversicherung auch sog. Säumniszuschläge, die beträchtliche Summen erreichen können. Nach § 24 Abs. 1 SGB IV betragen diese für jeden Monat 1%  des rückständigen Betrages. § 24 Abs. 2 SGB IV sieht allerdings vor, dass Säumniszuschläge nicht zu erheben sind, wenn der Kostenschuldner glaubhaft macht, dass er keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Lange Zeit war umstritten, wann man von einer solchen Kenntnis ausgehen musste. Die Rentenversicherung war der Ansicht, dass auf den allgemeinen Verschuldensmaßstab abzustellen sei, sodass Säumniszuschläge bei Vorsatz (d.h. bewusster Kenntnis) und Fahrlässigkeit (d.h. Kenntnis hätte bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt vorhanden sein müssen) erhoben werden könnten. Gerade die Frage, wann man von Fahrlässigkeit ausgehen kann, ist im Einzelfall schwer zu beurteilen. Genügt es, dass bereits umfangreiche Rechtsprechung zu der Sozialversicherungspflicht vorliegt? Hätte der Unternehmer diese kennen müssen?

Diese Fragestellung hat das BSG mit seinem Urteil vom 14.12.2018 (B 12 R 15/18 R; B 12 KR 19/17 R; B 12 R 1/18 R) nun beantwortet. Nach dem BSG soll nicht der allgemeine, sondern ein eigenständiger Verschuldensmaßstab greifen. Nach Auffassung des BSG setzt Verschulden nach § 24 Abs. 2 SGB IV wenigstens bedingten Vorsatz voraus.

Auswirkungen für die Praxis

Außer in Fällen, in denen in demselben Betrieb für dasselbe Berufsbild bereits einmal die Sozialversicherungspflicht gerichtlich festgestellt wurde, dürfte Kenntnis im Sinne von § 24 Abs. 2 SGB IV damit weitestgehend ausgeschlossen sein. Ein Vorgehen gegen durch die Rentenversicherung auferlegte Säumniszuschläge wird damit regelmäßig auch dann erfolgreich sein, wenn gegen die Feststellung der Sozialversicherungspflicht nicht mit Erfolg vorgegangen werden kann. Um der Gefahr vorzubeugen, sollte vor einer geplanten Zusammenarbeit mit Selbstständigen immer rechtlicher Rat eingeholt und ggf. ein Statusfeststellungsverfahren durchgeführt werden.