Mittwoch, 06.07.2022

Preisanpassung anlässlich der gegenwärtigen Krisen
Wie und auf welche Weise lassen sich die massiven Preissteigerungen für Material und Rohstoffe an die Kunden weitergeben?

Ein Beitrag von Jörn Rosenkaymer

Preisanpassungen in Folge der krisenbedingten, erheblichen Preissteigerungen sind in aller Munde.
Ob und wie sie sich rechtlich wirksam durchsetzen lassen, ist eine nur sehr schwer zu beantwortende Frage. Denn anders als zu anderen Fragen gibt es wegen der historisch einmaligen Situation keine umfangreiche Rechtsprechung zu diesem Thema.
 
Es bedarf also sorgfältiger Beratung und Abstimmung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände und Bedürfnisse zwischen Mandanten und Anwalt. Ist es innerhalb bestehender Verträge ohne eine Preisanpassungsklausel zu erheblichen Preissteigerungen gekommen, kann man versuchen, beim Kunden um Verständnis zu werben und eine Preisanpassung einvernehmlich durchzusetzen. Gelingt das nicht, kann nur davor gewarnt werden, dann mit Leistungsverweigerung zu drohen. Das könnte nämlich eine außerordentliche Kündigung des Kunden rechtfertigen, der dann auch entsprechende Schadensersatzansprüche geltend gemachen könnte, da er sich die Leistung nun anderweitig  - zu deutlich höherem Preis -  beschaffen muss und/oder wegen dieser anderweitigen Beschaffung erhebliche Verzögerungen für ihn eintreten.
 
Bei bereits abgeschlossenen Verträgen ohne Preisanpassungsklausel kann nur die Regelung in § 313 BGB „Änderung der Geschäftsgrundlage“ helfen.
Dann muss die Preiserhöhung sich allerdings schon prozentual erheblich auf den Gesamtpreis auswirken. Wie groß die Auswirkung genau sein muss (10 %, 15 % oder 20 %), wird unterschiedlich beurteilt. Manche halten es jetzt auch für ausreichend, wenn sie mindestens das 1,5-fache des kalkulierten Gewinns ausmacht.
Liegen die Voraussetzungen vor, kommt es aber nicht zu einer 100 %igen Weitergabe der Preiserhöhung an den Kunden, sondern grundsätzlich zu einer Risikoverteilung 50 % zu 50 %. Allerdings ist das kein starrer Grundsatz, sondern es sind nach dem Bundesgerichtshof „alle Umstände des Einzelfalls angemessen zu berücksichtigen“. Eine neuere Auffassung geht davon aus, dass der Betroffene die Preiserhöhung in dem Umfang weitergeben kann, wie sie ist, damit ihm zumindest nicht mehr als sein kalkulierter Gewinn verloren geht.
 
Was kann man bei künftig abzuschließenden Verträgen tun?
 
Da die Rechtsprechung sehr schnell dazu neigt, die dem Vertragspartner gestellte Klauseln als allgemeine Geschäftsbedingung anzusehen, riskiert man stets, dass die Klauseln der entsprechenden Unwirksamkeitskontrolle unterzogen und wegen „unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners“ als unwirksam angesehen werden wird. Das hat dann zur Folge, dass die Klausel komplett entfällt  - und nicht etwa -  mit einem von dem Gericht als gerade noch zulässig angesehenen Inhalt aufrecht erhalten wird.
So wird es sicherlich zur Unwirksamkeit führen, wenn die Klausel zu eigenen Gunsten des Verwenders nur bei Preissteigerungen greift, nicht aber auch zu Gunsten des Vertragspartners in den Fällen, in denen es einmal zu Preissenkungen kommt.
Außerdem muss die Klausel sicherlich auf Fälle beschränkt werden, in denen die Preiserhöhungen sich erheblich auf den Gesamtpreis auswirken, Frage ist dann nur, welchen Wert man hier ansetzen muss, um Unwirksamkeit zu vermeiden.
Darüber hinaus muss man regeln, dass vom Betroffenen selbst verursachte Verzögerungen unberücksichtigt bleiben. Wie aber rechnet man die darauf entfallenen Anteile einer Preissteigerung heraus?
 
Schließlich muss geregelt werden, wie das Preissteigerungsrisiko dann verteilt wird. Reicht hier eine wenig konkrete Regelung, die etwa eine „angemessene Preisänderung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls“ vorsieht? Muss man ggf. schon bei Vertragsabschluss die eigenen Kalkulationen offenlegen, damit der Vertragspartner weiß und einschätzen kann, welche preisbildenden Faktoren in welchem Umfang berücksichtigt sind, wie sich also erwartbare Preissteigerungen bei den Materialien oder Rohstoffen auf den Gesamtpreis auswirken können? Insbesondere im baurechtlichen Bereich scheint die überwiegende Ansicht dahin zu gehen, dass es einer solchen Offenlegung der Urkalkulation bedarf?
 
Zu berücksichtigen ist bei alledem schließlich dann auch noch, dass eine Klausel auch dann unwirksam ist, wenn sie „intransparent“ ist, was zum einen der Fall sein kann, wenn sie zu offen und schwammig formuliert ist, zum anderen aber auch im genau gegenteiligen Fall, nämlich dann, wenn sie zu lang, zu umfangreich und zu kompliziert ist.
Hier das richtige Mittelmaß zu finden, wird schwer bis unmöglich sein.
 
Es gibt alternative Lösungen:
 
Man gibt nicht einseitig eine Preisanpassungsklausel vor, sondern handelt sie mit dem Kunden im Einzelfall aus. Dazu muss man aber echte Verhandlungsbereitschaft zeigen, sie dokumentieren und im Streitfall dann auch vor Gericht beweisen.
Man sogleich im Angebot mit Risikoaufschlägen arbeiten.
Man kann darauf hoffen, dass das Schlimmste vorbei ist und auf Preisanpassungsregelungen verzichten.
Man kann mit dem Risiko der Unwirksamkeit verwendeter Klauseln leben und darauf hoffen, dass sie zumindest das Tor zu Verhandlungen öffnen und nicht jeder Vertragspartner den (gerichtlichen) Streit sucht. Dann muss man mit dem Berater versuchen, eine Klausel zu konstruieren und zu formulieren, die mit möglichst großer Wahrscheinlichkeit von den Gerichten nicht als „unangemessen“  - und deshalb unwirksam -  angesehen wird.
 
Eine weitere Lösung kann darin bestehen, dass man es dem Vertragspartner überlässt, eine Preisanpassungsklausel vorzuschlagen. Dann nämlich ist er Verwender und kann sich niemals darauf berufen, dass die Klausel unwirksam sei!