Dienstag, 06.11.2018

Kein Unfallversicherungsschutz bei Heimarbeit

Mit Urteil vom 26.09.2018 entschied das LSG Niedersachsen-Bremen, dass es sich bei dem Unfall einer Mutter, die für ihren Arbeitgeber im Wege der Telearbeit tätig war, auf dem Weg zu ihrem heimischen Arbeitsplatz nicht um einen Arbeits- oder Wegeunfall handelte.

Unfall auf dem Weg ins Homeoffice

Folgendes ist geschehen: Die Mutter war im Wege der Telearbeit, also vom heimischen Arbeitsplatz, für ihren Arbeitgeber tätig. Im November 2013 brachte sie morgens ihre Tochter in den Kindergarten. Als sie sich auf dem Rückweg zu ihrem Heimarbeitsplatz befand, rutschte sie mit ihrem Fahrrad auf Blitzeis aus und zog sich dabei einen komplizierten Verrenkungsbruch des Ellenbogens zu. Die umfangreiche Behandlung kostete 19.000,00 Euro. Die Krankenkasse verauslagte die Kosten, forderte aber die Berufsgenossenschaft zur Erstattung auf. Die Berufsgenossenschaft lehnte eine Erstattung mit der Begründung ab, dass es sich nicht um einen Arbeits- oder Wegeunfall handele. Daher erhob die Krankenkasse Klage.

Unterschied zwischen Homeoffice und Büro?

In dem folgenden Verfahren argumentierte die Berufsgenossenschaft, dass der Rückweg vom Kindergarten nicht mit einem Arbeitsweg gleichzusetzen sei. Es handele sich vielmehr um einen privaten Heimweg. Lägen Wohnung und Arbeitsplatz in demselben Gebäude, sei bereits begrifflich ein Wegeunfall ausgeschlossen. Die Krankenkasse vertrat demgegenüber die Auffassung, es mache keinen Unterschied, ob die Mutter sich, nachdem sie ihre Tochter in den Kindergarten gebracht hat, bei einem Unfall auf dem Weg zu ihrer (externen) Arbeitsstelle oder in ihr Homeoffice befunden hat. Es diene gerade auch den betrieblichen Interessen, wenn die Arbeitnehmerin ihre Wohnung, in der sie ihrer Arbeit nachgeht, verlasse, um ihre Tochter in den Kindergarten zu bringen und zurückzukehren, um weiterhin ungestört ihrer Arbeit nachgehen zu können.

Laut LSG Gesetzesänderung erforderlich

Das LSG gab im Ergebnis der beklagten Berufsgenossenschaft Recht. Interessant ist jedoch, dass das Gericht den fehlenden Versicherungsschutz kritisiert und eine Gesetzesänderung empfiehlt.

Nach Auffassung des LSG ist der klassische Arbeitsweg schon immer versichert gewesen. 1971 ist dieser um den Kindergartenweg erweitert worden. Versicherungsschutz am häuslichen Arbeitsplatz habe dagegen nie bestanden. Zweck des Unfallversicherungsschutzes sei gerade der Schutz vor den spezifischen Gefahren des Verkehrs. Ohne einen Arbeitsweg könne es derartige Gefahren aber nicht geben. Vielmehr würden diese durch die Heimarbeit gerade vermieden. Damit fehle bei einem Verlassen des Arbeitsplatzes zur Verrichtung anderer Tätigkeiten der erforderliche innere betriebliche Zusammenhang. Zwar sei grundsätzlich auch der Weg versichert, den der Versicherte nicht von seiner Wohnung, sondern von einem anderen Ort, zu seiner Arbeitsstätte antritt, allerdings muss der Aufenthalt an diesem anderen Ort nach der Rechtsprechung des BSG länger als zwei Stunden andauern. Damit handele es sich vorliegend nicht um einen Arbeitsweg und auch nicht um einen versicherten Kindergartenumweg. Die Gesetzeslage gebe, so das LSG, eine anderweitige Beurteilung nicht her. Allein der Gesetzgeber könne angesichts der zunehmenden Verlagerung der Bürotätigkeiten auf Heimarbeitsplätze eine Anpassung der Gesetzeslage an die aktuellen Entwicklungen des Berufslebens vornehmen.

Die Revision zum BSG wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Eine abschließende Klärung des Unfallversicherungsschutzes bei Heimarbeit steht also noch aus.