Mittwoch, 22.06.2022

Kein Kürzungsrecht von Heimbewohnern
bzgl. des Heimentgelts wegen coronabedingter
Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen

Ein Beitrag von Thomas Brinkmann

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 28.04.2022 – III ZR 240/21 – entschieden, dass auch bei coronabedingten Beschränkungen das volle Heimentgelt zu zahlen ist. Den Bewohnern steht wegen coronabedingten Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen kein Kürzungsrecht zu.
 
1.
Zwischen den Parteien wurde ein Vertrag über die Erbringung vollstationärer Pflege in einem vom Kläger betriebenen Seniorenpflegeheim geschlossen. Wegen der Corona-Pandemie holte der Sohn die Beklagte zu sich nach Hause, ohne das angemietete Zimmer zu räumen. Die Beklagte leistete daraufhin nur Teilzahlungen auf das vereinbarte Heimentgelt für das Zimmer. Nachdem daraufhin die Klägerin bei Auflauf des entsprechenden Rückstandes des Heimentgeltes diese zunächst zur Zahlung aufgefordert hatte, erfolgte dann die Kündigung des Heimvertrages aus wichtigem Grunde. Die Beklagte wurde in der ersten Instanz vom Landgericht zur Räumung und Herausgabe des von ihr weiterhin belegten Zimmers und Zahlung des Heimentgelts unter Abzug der vertraglich vereinbarten Pauschale verurteilt. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts blieb erfolglos. Die Beklagte beabsichtigte eine Zulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) einzulegen und beantragte hierfür einen Rechtsanwalt beizuordnen. Diesem Antrag wurde von dem BGH nicht stattgegeben mit dem Hinweis, dass ein Entgeltkürzungsanspruch unzweifelhaft nicht bestehen würde.
 
2.
Der BGH sah die nach § 7 Abs. 2 des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes (WBVG) i.V.m. der entsprechenden Ziffer in dem Heimvertrag vereinbarte Verpflichtung der Klägerin, der Beklagten ein bestimmtes Zimmer als Wohnraums zu überlassen und die vertraglich vereinbarten Pflege- und Betreuungsleistungen nach dem allgemeinen Stand fachlicher Erkenntnisse zu erbringen als erfüllt an. Diese Verpflichtungen konnten nach dem BGH-Beschluss trotz der pandemiebedingten Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen weiterhin in vollem Umfang erbracht werden. Eine Entgeltkürzung gemäß § 10 Abs. 1 WBVG wegen Nicht- oder Schlechtleistung würde daher ausscheiden. Es kommen auch keine Herabsetzungen des Heimentgelts wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB in Betracht. Durch die Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen habe sich die Geschäftsgrundlage für den bestehenden Heimvertrag nicht schwerwiegend geändert. Die Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen würden primär dem Gesundheitsschutz sowohl der Heimbewohner als der Heimmitarbeiter dienen, ohne dass der Vertragszweck infrage gestellt würde. Ein Festhalten an dem Heimvertrag war nach Auffassung des BGH der Beklagten daher unzweifelhaft zumutbar.

 
3.
In § 10 WBVG ist geregelt, dass der Verbraucher (Bewohnerin/Bewohner) unbeschadet weitergehender zivilrechtlicher Ansprüche das vereinbarte Heimentgelt kürzen kann, wenn der Unternehmer die vertraglichen Leistungen ganz oder teilweise nicht oder mit erheblichen Mängeln erbringt. Der BGH hat entschieden, dass bei coronabedingten Beschränkungen keine derartigen erheblichen Mängel im Sinne der gesetzlichen Regelung vorliegen, sodass auch kein Kürzungsrecht besteht. Die Bewohnerin war daher im vorliegenden Fall verpflichtet, das Heimentgelt im vollen Umfang zu zahlen. Da sie dies nicht getan hatte, hat die Einrichtung von ihrem Recht zur Kündigung Gebrauch gemacht. Das Kündigungsrecht ist in § 12 WBVG geregelt und hiernach kann der Unternehmer den Vertrag kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Dieser liegt insbesondere vor, wenn der Verbraucher für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Entrichtung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, der das Entgelt für einen Monat übersteigt im Verzug ist oder in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung des Entgelts in Höhe eines Betrages in Verzug gekommen ist, der das Entgelt für zwei Monate erreicht. Dies war hier der Fall, sodass nach Auffassung des BGH die Kündigung rechtmäßig war.