Montag, 16.01.2023

Kein Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Vorlage von Belegen

Ein Beitrag von Mark Wilmking

Mit Urteil vom 23.08.2021 (Az. 33 U 325/21) hat das Oberlandesgericht München entschieden, dass der Pflichtteilsberechtigte im Rahmen des Auskunftsanspruchs zur Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen grundsätzlich keinen Anspruch auf Vorlage von Belegen hat.
 
Sachverhalt
Die Parteien streiten über Pflichtteilsansprüche. Der Kläger ist der Sohn der am 12.01.2019 verstorbenen Erblasserin. Der Beklagte ist der Ehemann der Erblasserin, der die Erblasserin allein beerbt hat. Im Rahmen des Klageverfahrens macht der Kläger gegenüber dem Beklagten nunmehr Auskunft und eine Belegvorlage geltend. Das erstinstanzliche Gericht hat der Klage in vollem Umfange per Teilurteil insbesondere auch in Bezug auf die Vorlageverpflichtung von Belegen stattgegeben. Mit dem nun vorliegenden Urteil hat das Oberlandesgericht München die Entscheidung in Bezug auf die Belegvorlage abgeändert, da nach Auffassung des Oberlandesgerichts München kein Anspruch auf eine Belegvorlage besteht.
 
Grundsätze der Vorlagepflicht von Belegen
 
Gemäß § 2314 BGB steht dem Pflichtteilsberechtigten ein umfassender Auskunftsanspruch gegenüber dem Erben zu, um seinen ihm zustehenden Pflichtteilsanspruch beziffern zu können. Die zu erteilende Auskunft des Erben im Rahmen des § 2314 BGB erstreckt sich auf alle Berechnungsfaktoren und somit auf alle tatsächlich zum Erbfall vorhandenen Aktiv- und Passivposten. Nach der Rechtsprechung und herrschenden Meinung in Literatur besteht kein allgemeiner Anspruch auf Belegvorlage im Rahmen eines Auskunftsanspruches. Das ist zuletzt noch einmal durch das Oberlandesgericht Düsseldorf in einer Entscheidung vom 06.07.2018 bestätigt worden. Eine Pflicht zur Vorlegung von Belegen besteht nur ausnahmsweise dann, wenn ein Unternehmen zum Nachlass gehört und die Beurteilung seines Wertes ohne Kenntnis insbesondere der Bilanzen und ähnlicher Unterlagen dem Pflichtteilsberechtigten nicht möglich wäre. Das hat der BGH in einer Grundsatzentscheidung vor über 60 Jahren bereits ausgeführt (BGH vom 02.11.1960 – NJW 1961, 602). Darüber hinaus – so das OLG München – kann eine Vorlage von Belegen ausnahmsweise auch dann gefordert werden, wenn der Wert einzelner Nachlassgegenstände ungewiss ist und die Vorlage einzelner Unterlagen erforderlich ist, damit der Pflichtteilsberechtigte den Wert der Gegenstände selbst abschätzen kann.
 
Das Oberlandesgericht München hat eine allgemeine Belegvorlagepflicht im Einklang mit der herrschenden Meinung der Rechtsprechung abgelehnt. Nach Auffassung des Gerichtes ist insoweit maßgeblich, dass § 2314 Abs. 1 BGB nur auf § 260 BGB, nicht auch auf § 249 BGB verweist und § 260 BGB keine allgemeine Pflicht zur Rechenschaftslegung und seinem Wortlaut nach auch keine Pflicht zur Vorlage von Belegen beinhaltet.
 
Weitere Aussicht
 
Mit dieser Entscheidung bestätigt das Oberlandesgericht München noch einmal die aktuell herrschende Meinung. Mit Ausnahme des Sonderfalls betreffend einer Unternehmensbewertung, die über ein halbes Jahrhundert zurückliegt, steht daher weiterhin eine grundsätzliche Entscheidung des BGH aus. Es bleibt zu hoffen, dass der BGH sich diese Frage noch einmal annimmt. Denn gerade für den Pflichtteilsberechtigten sind Belege, insbesondere im Rahmen auch möglicher Pflichtteilsergänzungsansprüche entscheidend, um überhaupt überprüfen zu können, ob die Auskünfte zutreffend erteilt wurden und vor allem etwaige pflichtteilsrelevante Schenkungen vorliegen oder nicht.