Donnerstag, 03.09.2020

Kein Anspruch des Arbeitnehmers gegen die Aufsichtsbehörde auf Verhängung einer Geldbuße gegen den Arbeitgeber bei Datenschutzverstößen

Ein Beitrag von Hamid Afroozesh Kobdeh

Das Verwaltungsgericht Ansbach hat mit Urteil vom 16.03.2020 (Az. AN 14 K 9.00464) entschieden, dass ein Arbeitnehmer bei Datenschutzverstößen des Arbeitgebers grundsätzlich keinen Anspruch aus Art. 58 Abs. 2 Buchst. i in Verbindung mit Art. 83 DSGVO gegenüber der Aufsichtsbehörde für Datenschutz auf Verhängung einer Geldbuße gegenüber dem Arbeitgeber hat.

Beschwerde eines Arbeitnehmers gegen Weitergabe seiner Telefonnummer und GPS-Ortungssystem

Ein Arbeitgeber war von einem Unternehmen (P GmbH) beauftragt, Kurierdienste zu erbringen. Die P GmbH war ihrerseits als Subunternehmerin von der Hauptauftraggeberin (F GmbH) beauftragt worden.

Der Arbeitgeber beschäftigte einen Aushilfsfahrer, dessen Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit durch Kündigung beendet wurde. Nach Ausspruch der Kündigung nahm der Arbeitnehmer Kontakt zu der Hauptauftraggeberin (F GmbH) auf und beschwerte sich unter Verweis auf „außergewöhnliche betriebliche Ereignisse“ über den Arbeitgeber. Die Hauptauftraggeberin (F GmbH) wandte sich daraufhin an die Subunternehmerin (P GmbH), um der Beschwerde nachzugehen und den Sachverhalt aufzuklären. Die P GmbH wandte sich ihrerseits an den Arbeitgeber, von dem sie die Telefonnummer des Arbeitnehmers erhielt und rief den Arbeitnehmer an.

Im Rahmen einer Online-Beschwerde monierte der Arbeitnehmer anschließend bei der zuständigen Aufsichtsbehörde für Datenschutz (Bayerisches Landesamt für Datenschutzaufsicht), dass sein Arbeitgeber seine private Telefonnummer weitergegeben habe. Er vertrat zudem die Auffassung, dass der Einsatz eines in den Kurierfahrzeugen des Arbeitgebers eingebauten GPS-Ortungssystems rechtswidrig gewesen sei. Der Arbeitnehmer forderte die Aufsichtsbehörde auf, gegen den Arbeitgeber im Wege der ordentlichen Strafverfolgung vorzugehen bzw. eine Geldbuße zu verhängen.

Die Aufsichtsbehörde kam zu dem Ergebnis, dass die Weitergabe der Telefonnummer durch den Arbeitgeber datenschutzrechtlich vertretbar war. In Bezug auf den Einsatz des GPS-Ortungssystems sah sich die Aufsichtsbehörde nicht veranlasst, eine Geldbuße zu verhängen und half der Beschwerde des Arbeitnehmers nicht ab.

Daraufhin erhob der Arbeitnehmer Klage beim Verwaltungsgericht und beantragte, die Aufsichtsbehörde für Datenschutz zu verurteilen, gegenüber dem Arbeitgeber eine Geldbuße zu verhängen.

Abhilfebefugnisse und Ermessensspielraum der Aufsichtsbehörde für Sanktionen gegen Dritte

Das Verwaltungsgericht Ansbach wies die Klage des Arbeitnehmers ab. Es stellte zunächst fest, dass die Rechtsauffassung der Aufsichtsbehörde, wonach in der Weitergabe der privaten Telefonnummer des Arbeitnehmers und die GPS-Ortung kein Datenschutzverstoß gelegen habe, vertretbar gewesen sei. Die Weitergabe der privaten Telefonnummer sei zur Wahrung der berechtigten Interessen des Arbeitgebers erforderlich gewesen und deshalb nach Art. 6 Abs.1 Satz 1 Buchst. f DSGVO rechtmäßig erfolgt. Auch die GPS-Ortung sei mit Blick auf den Schutz von Betriebsmitteln für die Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich gewesen und deshalb nach Art. 88 DSVGVO i. V. m. § 26 Abs. 1 Satz BDSG rechtmäßig erfolgt.

Unabhängig davon nahm das Gericht zu der Frage Stellung, ob und inwieweit die Aufsichtsbehörde für den Fall eines Datenschutzverstoßes zur Verhängung eines Bußgeldes gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet gewesen wäre. Es arbeitete zunächst heraus, dass die Aufsichtsbehörde nach Art. 58 DSGVO über weitreichende Befugnisse (Untersuchungs-, Abhilfe-, Genehmigungs- und beratenden Befugnisse) verfüge, zu denen zusätzlich zu oder anstelle darin genannten Maßnahmen auch die Verhängung einer Geldbuße gehöre. Die Ausübung und die Auswahl dieser Befugnisse stünde allerdings wegen des sog. „Opportunitätsprinzip“ im pflichtgemäßen Ermessen der Aufsichtsbehörde. Deshalb käme ein Anspruch des Arbeitnehmers gegen die Aufsichtsbehörde auf die Verhängung einer Geldbuße gegen den Arbeitgeber nur in Betracht, wenn sich das Entschließungsermessen der Aufsichtsbehörde auf Null reduziert hätte. Dies könne nur angenommen werden, wenn die Verhängung einer Geldbuße zwingend erforderlich sei, um rechtmäßige Zustände zu schaffen.

Das Verwaltungsgericht hält einen Anspruch einer von einem Datenschutzverstoß betroffenen Person auf Einschreiten der Aufsichtsbehörde nur im Ausnahmefall für denkbar und begründet dies mit Art. 78 Abs. 1 DSGVO, wonach jede Person das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen einen sie betreffenden rechtsverbindlichen Beschluss einer Aufsichtsbehörde habe. Im vorliegenden Fall verneinte das Verwaltungsgericht Ansbach, gleichwohl das Arbeitsverhältnis bereits beendet war, eine Ermessensreduzierung auf Null und verneinte einen Anspruch auf Verhängung einer Geldbuße.

Hohe Hürden für das Erzwingen von Sanktionen

Das Verwaltungsgericht hat für Personen, die von einem Datenschutzverstoß betroffen sind, sehr hohe Hürden aufgestellt, um einen Anspruch auf Einschreiten der Aufsichtsbehörde gegenüber einem Verantwortlichen im Sinne der DSGVO durchzusetzen. Es hat allerdings versäumt, näher zu konkretisieren, wann eine Ermessensreduzierung auf Null die Aufsichtsbehörde zur Verhängung einer Geldbuße verpflichtet.

Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und ein – nicht schwerwiegender – Datenschutzverstoß begründen jedenfalls nach Auffassung des Verwaltungsgerichts keine Ermessensreduzierung auf Null, weil die Aufsichtsbehörde auch bei Vorliegen eines Datenschutzverstoßes weitreichende Abhilfebefugnisse habe und im Rahmen des ihr gesetzlich eingeräumten Ermessens stets prüfen könne, ob eine Geldbuße oder eine andere Abhilfemaßnahme (z. B. eine Verwarnung oder Anweisungen in Bezug auf die konkrete Datenverarbeitung) angemessen sei.

Auch wenn den Interessen des Arbeitgebers mit dieser Entscheidung hinreichend Rechnung getragen wird, ist er nicht davor geschützt, dass Arbeitnehmer im Kontext einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung mit einer Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde eine datenschutzrechtliche Prüfung veranlassen und kann folglich nicht ausgeschlossen werden, dass die Aufsichtsbehörde ihren Ermessensspielraum auch zu Lasten des Arbeitgebers ausübt und sich für die Verhängung einer Geldbuße entscheidet.