Dienstag, 29.03.2022

Hybrid-Testamente – Unwirksamkeit einer Erbeinsetzung durch Bezugnahme auf eine nicht die Testamentsform wahrende Anlage

Autor: Mark Wilmking

Der BGH hat mit Beschluss vom 10.11.2021 (Aktenzeichen IV ZB 30/20) entschieden, dass eine Erbeinsetzung unwirksam ist, wenn die Erben in einem eigenhändigen Testament erst durch Bezugnahme auf eine nicht die Testamentsform wahrende Anlage individualisierbar bestimmt werden.
 
Sachverhalt
 
Der Erblasser und seine zweite Ehefrau erstellten am 10.03.2011 ein gemeinschaftliches eigenhändiges Testament, das von beiden unterzeichnet wurde. Daran setzten sie sich gegenseitig zu Alleinerben ein. Für das Vermögen, das sie in einen Erbanteil in Deutschland und in Italien im Testament aufteilten, sahen sie für nach dem Tod beider Eheleute unterschiedliche Regelungen vor. Das Vermögen in Deutschland sollte an eine Tochter des Erblassers aus erster Ehe, während der Erbanteil in Italien an eine Erbengemeinschaft aus fünf befreundeten Familien gehen. Im Testament war hierzu folgendes geregelt: „Name und Adressen für das Erbteil Italia sind im PC-Ausdruck angehängt und persönlich unterschrieben“. In einer maschinengeschriebenen „Anlage Gemeinschafts-Testament Namensliste der Erbengemeinschaft“ waren dann durch Querstrich getrennt fünf Paare mit den jeweiligen Namen, Adressen und Kontaktdaten aufgeführt, wobei in mehreren Fällen die Namen den jeweiligen Paaren zugeordnete weitere Personen mit aufgeführt waren. Die Anlage war handschriftlich auf den 10.03.2011 datiert und von beiden Eheleuten unterschrieben. Nachdem die Ehefrau verstorben war, errichtete der Erblasser ein neues notarielles Testament, in dem er seine Tochter aus erster Ehe als Alleinerbin einsetzte.
 
Nach dem Tod des Erblassers streiten nun zwei Familienmitglieder aus der in der Anlage benannten Familien mit der Tochter des Erblassers aus erster Ehe darüber, ob die in der Anlage benannten fünf Familien Erben geworden sind oder nicht.
 
Entscheidung des BGH
 
Nachdem zunächst das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag zweier aus dem Kreise der fünf Familien entstammenden Personen positiv beschieden hatte, entschied das Oberlandesgericht, den Erbscheinsantrag auf eine seitens der Tochter des Erblassers aus erster Ehe erhobenen Beschwerde aufzuheben. Diese Entscheidung des Oberlandesgericht bestätigte nun der Bundesgerichtshof, so dass der Erbscheinsantrag rechtskräftig als unbegründet zurückgewiesen wurde. Grundsätzlich kann ein Erblasser nach § 2247 Abs. 1 BGB ein Testament durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten. Im Wege einer Formerleichterung gem. § 2267 S. 1 BGB genügt es zur Errichtung eines gemeinschaftlichen Ehegattentestamentes nach § 2247 BGB, wenn einer der Ehegatten das Testament in der dort vorgeschriebenen Form errichtet und der andere Ehegatte die gemeinschaftliche Erklärung eigenhändig mitunterzeichnet.
 
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes müssen sämtliche Verfügungen des Erblassers, um wirksam zu sein, diese Formanforderungen erfüllen. Dabei ist es grundsätzlich zulässig, dass in einem Testament auf eine andere wirksame letztwillige Verfügung, insbesondere auf ein notarielles Testament, verwiesen wird. Indes kann ein Erblasser bezüglich des Inhaltes der letztwilligen Verfügung grundsätzlich aber nicht auf Schriftstücke, die nicht der Testamentsform genügen, Bezug nehmen (sogenanntes „Testamentum Mysticum“).
 
Zulässig ist nach herrschender Auffassung aber die Bezugnahme zum Zweck der näheren Erläuterung der testamentarischen Bestimmungen, weil es sich dann nur um die Auslegung des bereits formgültig erklärten, andeutungsweise erkennbaren Willen handele. Insoweit wird also zwischen einer (zulässigen) Bezugnahm zur näheren Erläuterung einerseits und einer (unzulässigen) ergänzenden oder inhaltsbestimmenden Bezugnahme andererseits unterschieden. Diese Unterscheidung zwischen erläuternden und ergänzenden Bezugnahmen birgt nach Auffassung des Bundesgerichtshofes jedoch die Gefahr erheblicher Abgrenzungsschwierigkeiten und hat zum Teil zu einer zu großzügigen Zulassung von Bezugnahmen auf nicht formwirksame Anlagen nach Auffassung des BGH geführt. Dieser Entwicklung sogenannter Hybrid-Testamente, die sich aus einem nach Auffassung des Bundesgerichtshofes formwirksamen Haupt- und einem formnichtigen Verweisungsdokument zusammensetzen, setzt der Bundesgerichtshof nunmehr mit seiner Entscheidung einen Riegel vor. Denn der Bundesgerichtshof stellt nun als allgemeine Regel fest, dass der Erblasser „bezüglich des Inhalts der letztwilligen Verfügung grundsätzlich nicht auf Schriftstücke, die nicht der Testamentsform genügen, Bezug nehmen kann. Aufgrund der von ihm festgestellten Gefahr erheblicher Abgrenzungsschwierigkeiten ist nun einzig und allein entscheidend, ob ein gefundenes Auslegungsergebnis andeutungsweise oder versteckt im formwirksamen Testament selbst zum Ausdruck komme. Bezogen auf den von ihm zu entscheidenden Fall entschied der Bundesgerichtshof, dass bei der streitgegenständlichen Erbeinsetzung der „fünf befreundeten Familien“ dies eben nicht der Fall sei.
 
Ausblick
 
Grundsätzlich ist diese Klarstellung des BGH zu begrüßen. Am Ende des Tages – wie so häufig bei der Auslegung letztwilliger Verfügungen von Todes wegen – kommt es auf den Einzelfall an, so dass auch hier in jedem zukünftigen Einzelfall zu überprüfen ist, ob die Bezugnahme auf eine Anlage nun erläuternd oder inhaltsbestimmend ist. Auch wenn der BGH die bisherige Praxis der Obergerichte kritisiert und offensichtlich eine zu großzügige Zulässigkeit der oben benannten Hybrid-Testamente angenommen hat, darf nun aber umgekehrt nicht jeder Verweis auf eine formnichtige Anlage die Gesamtnichtigkeit des Testamentes zur Folge haben. Insoweit ist und bleibt auch eine lediglich erläuternde Anlage künftig zulässig. Für die Beratungspraxis ist und bleibt es aber bei dem ehernen Grundsatz, dass die Benennung des und/oder der Erben klar und deutlich im Testament selbst formuliert werden sollte und man sich nicht auf Anlagen beziehen sollte, die dann eben ggf. nicht den strengen Formvorschriften zur Errichtung von Testamenten entspricht. Damit vermeidet man von vornherein das Problem, über das nun der Bundesgerichtshof entscheiden musste.