Donnerstag, 29.10.2020

Gewerblich tätige Bauherren haften nicht automatisch als „Unternehmer“ nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz

Ein Beitrag von Lionel Patting
 

Die Auftraggeberhaftung nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) gilt nicht ausnahmslos für jeglichen „Unternehmer“: Wer als Bauherr eine Bauleistung in Auftrag gibt, haftet nicht für die Lohnschulden eines Subunternehmers, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 16.10.2019 (Az. 5 AZR 241/18) entschieden hat.
 
Nach § 14 Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) haftet ein Unternehmer grundsätzlich, wenn er Werk- oder Dienstverträge fremd vergibt, für die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns an die eingesetzten Arbeitnehmer – wie ein Bürge.
 
Den Begriff des „Unternehmers“ legt das BAG in seiner Rechtsprechung allerdings einschränkend aus. Danach haftet nicht automatisch jeder „Unternehmer“, sondern nur Generalunternehmer, die als Bauunternehmen übernommene Aufträge nicht selbst ausführen und sich dafür Subunternehmern bedienen.
 
Im konkreten Fall verklagten mehrere Bauhelfer den Bauherrn eines Shopping-Centers – wobei Geschäftszweck die anschließende Verwaltung und Vermietung der errichteten Gebäude sein sollte – auf Zahlung des Arbeitslohnes, nachdem der Sub-Unternehmer Insolvenz angemeldet hatte und von diesem keine Zahlung mehr zu erwarten war. Die Bauhelfer waren für das Bauprojekt mehrere Jahre auf der Baustelle bei einem Subunternehmer beschäftigt.
 
Einschränkende Rechtsprechung zur Auftraggeberhaftung
 
Nachdem die Klage der Bauhelfer in den Vorinstanzen bereits keinen Erfolg hatte, verneinte auch das Bundesarbeitsgericht eine Haftung des Bauherrn.
 
Der Senat begründete die Entscheidung damit, dass der Bauherr nicht der Unternehmerhaftung nach § 14 AEntG unterliege. Aus Sicht des Gerichts muss der Unternehmerbegriff der Vorschrift einschränkend ausgelegt werden, weshalb nur derjenige Unternehmer hafte, welcher sich zu einer Werk- oder Dienstleistung verpflichtet habe und diese nicht mit eigenen Arbeitskräften ausführe, sondern sich dafür eines oder mehrerer Subunternehmer bediene. Grund für die Haftung ist, dass der Unternehmer wegen der Durchführung der Arbeiten durch einen Sub-Unternehmer sich der zwingenden Beachtung der Mindestarbeitsbedingungen der Arbeitnehmer nicht entledigen soll, da diese schließlich im Interesse des Unternehmers auf der Baustelle eingesetzt seien.
 
Das war vorliegend nicht der Fall, da der Bauherr zwar Unternehmer war, allerdings Geschäftszweck der spätere Betrieb des Shopping-Centers sein sollte. Zur Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen – zu deren Erfüllung er sich Sub-Unternehmen bediente – hatte sich der Unternehmer hier gerade nicht verpflichtet. Auch mit einem Bauträger, der das Gebäude bzw. Grundstück im Anschluss veräußere, sei die Bauherrin als künftige Betreiberin und Vermieterin nicht zu vergleichen, da sie selbst Eigentümerin des Gebäudes bleiben wollte. Eine Erweiterung der Haftung auf jeden gewerblichen Auftraggeber, der eine Bauleistung in Auftrag gibt, lässt sich daher mit § 14 AEntG nicht begründen. Einer solchen Erweiterung hat das BAG eine ausdrückliche Absage erteilt.
 
 
BAG: Gewerblicher Bauherr hat keine automatische Unternehmerstellung i. S. d. § 14 AEntG
 
Im vorliegenden Fall bestätigt das BAG, dass dem Bauherrn keine „Unternehmerstellung“ i. S. d. § 14 AEntG zukomme, die eine Auftraggeberhaftung rechtfertigen würde. Vielmehr habe hier der Bauherr lediglich den Auftrag an einen Generalunternehmer erteilt, das Gebäude für den betrieblichen Eigenbedarf – nämlich zum anschließenden Betrieb bzw. zur Vermietung – zu errichten. Nach Auffassung des Gerichts habe der Bauherr damit nicht seine eigenen Verpflichtungen in Bezug auf die Arbeitsbedingungen an Subunternehmer weitergegeben.
 
 
Differenzierung zwischen Bauträger und gewerblichem Vermieter/Betreiber
 
Ob die Differenzierung zwischen Bauträger (welcher haftet) und Investor, der anschließend vermietet (welcher nicht haftet) in der Rechtsprechung dauerhaft Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. Schließlich können die Grenzen zwischen Investor und Bauträger fließend sein, wie bspw. in dem Fall, dass Betrieb und Vermietung sich als nicht wirtschaftlich erweisen und Gebäude oder Grundstück dann (teilweise) veräußert werden. Auch ist ein privater Investor, der das zu errichtende Gebäude anschließend gewerblich betreiben und vermieten möchte weniger schutzbedürftig als ein privater Bauherr. Dann stellt sich die Frage, ob die vom BAG vorgenommene Differenzierung gerechtfertigt ist oder nicht und ob sie weiterhin Bestand haben kann.
 
Die Entscheidung des BAG reiht sich damit konsequent in die Rechtsprechung zur restriktiven Auslegung des Unternehmerbegriffs ein, wodurch klargestellt wird, dass nicht jeder Unternehmer automatisch nach dem AEntG haften soll. Wie sich die Rechtsprechung in Bezug auf die Bauherrenhaftung weiterentwickelt, bleibt daher abzuwarten.