Mittwoch, 15.04.2020

Finanzielle Unterstützung für Arbeitnehmer bei Kita- und Schulschließungen in Zeiten von Corona

Ein Beitrag von Hamid Afroozesh Kobdeh

In unserem Beitrag vom 26.02.2020 haben wir über die Auswirkungen des Corona-Virus aus arbeitsrechtlicher Sicht berichtet und mögliche Entschädigungsansprüche der Arbeitnehmer nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) thematisiert.

Der Gesetzgeber hat mit dem „Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ (BT-Drucksache 19/18111) weitreichende Änderungen des IfSG vorgenommen und in § 56 Abs. 1a IfSG finanzielle Hilfen für Arbeitnehmer vorgesehen, die aufgrund einer behördlichen Kita- oder Schulschließung ihre Kinder selbst betreuen müssen und nicht arbeiten können.

Kita- und Schulschließungen: Persönliche Verhinderung des Arbeitnehmers

Wird eine Kita oder Schule aufgrund behördlicher Anordnung vorübergehend geschlossen und können Arbeitnehmer wegen daraus resultierender notwendiger Kinderbetreuung nicht arbeiten kann es sich um eine persönlicher Verhinderung des Mitarbeiters handeln, die den Arbeitgeber für einige Tage verpflichtet die Vergütung gem. § 616 BGB fortzuzahlen. Einen solchen Anspruch hat der BGH im Falle eines angeordneten beruflichen Tätigkeitsverbotes nach § 38 BSeuchG a. F. (§ 31 IfSG) im Jahre 1978 bejaht (BGH, Urteil vom 30.11.1978, III ZR 43/77).

Der Anspruch aus § 616 BGB kann durch Einzel- oder Tarifvertrag ausgeschlossen werden und besteht im Übrigen nur dann, wenn sich die Verhinderung von vornherein auf einen verhältnismäßig geringen Zeitraum beschränkt. Bei längerer Verhinderung entfällt er gänzlich, so dass der Arbeitgeber nicht etwa zunächst für eine verhältnismäßig geringe Zeit zur Zahlung verpflichtet bleibt.

Da derzeit nicht absehbar ist, wie lange die Kita- und Schulschließungen noch andauern werden und § 616 BGB in Arbeitsverträgen oder durch Tarifvertrag ausgeschlossen sein kann, haben Arbeitnehmer häufig keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung, wenn sie nicht arbeiten können, weil sie ihr Kind betreuen müssen.

Abhilfe durch Neuregelung in § 56 Abs. 1a IfSG

Der Gesetzgeber hat die daraus entstehende Lücke für Arbeitnehmer mit dem neu eingefügten Abs. 1a in § 56 IfSG geschlossen, der eine Kompensation durch den Staat vorsieht. Danach haben Sorgeberechtigte von Kindern, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder behindert und auf Hilfe angewiesen sind, für den Zeitraum der notwendigen Kinderbetreuung aufgrund von Kita- und Schulschließungen Anspruch auf Entschädigung, wenn sie durch die notwendige Kinderbetreuung einen Verdienstausfall erleiden.

Arbeitnehmer können seit dem 30.03.2020 für einen Zeitraum von bis zu sechs Wochen eine Entschädigung in Höhe von 67 % des monatlichen Nettoeinkommens für den Verdienstausfall beanspruchen. Der Entschädigungsanspruch ist jedoch auf maximal 2.016,00 € pro Monat begrenzt.

Die Auszahlung der Entschädigung übernimmt der Arbeitgeber, der bei der zuständigen Landesbehörde die Erstattung der Entschädigungsleistung beantragen kann.

Welche Voraussetzungen werden an den Entschädigungsanspruch geknüpft?

Voraussetzung für den Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1a IfSG ist, dass eine Kinderbetreuungseinrichtung oder Schule zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten auf Grund des Infektionsschutzgesetzes auf behördliche Anordnung hin vorübergehend geschlossen bzw. deren Betreten untersagt wird. Die dadurch zu betreuenden Kinder dürfen das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder müssen behindert und auf Hilfe angewiesen sein. Anspruchsberechtigt sind erwerbstätige Sorgeberechtigte, die im Zeitraum der Schließung oder des Betretungsverbotes keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit haben.

Zu beachten ist, dass Zeitguthaben des Arbeitnehmers vorrangig genutzt werden müssen, es darf also keine anderen Möglichkeiten geben, der Arbeit vorübergehend unter Entgeltfortzahlung fernzubleiben. Die zumutbare Arbeit aus dem Home Office ist eine solche andere Möglichkeit, die einen Anspruch ausschließt.

Für Ferienzeiten, in denen die Kita oder Schule ohnehin geschlossen wäre, besteht kein Anspruch.

Ist die Arbeitszeit aufgrund der Anordnung von Kurzarbeit verkürzt, besteht für die Zeiten des Arbeitsausfalls ebenfalls kein Anspruch, da Arbeitnehmer, die keine Arbeitsleistung erbringen müssen, ihre Kinder während dieser Zeit selbst betreuen können.

Auslegungsbedürftige Regelung mit Konkretisierungsbedarf

Die Neuregelung des § 56 Abs. 1a IfSG ist zu begrüßen, weil Arbeitnehmern eine bessere finanzielle Absicherung im Falle der Kita- oder Schulschließung zuteilwird. Arbeitgeber müssen jedoch zunächst in Vorleistung treten und anschließend in Abstimmung mit den betroffenen Arbeitnehmern die Kostenerstattung gegenüber der zuständigen Behörde beantragen, wodurch ein erhöhter bürokratischer Aufwand entsteht.

Offen ist bislang, in welchen Fällen eine anderweitige Betreuungsmöglichkeit als unzumutbar angesehen werden wird. Die Gesetzesbegründung nennt als zumutbare Betreuungsmöglichkeit beispielweise eine sog. Notbetreuung in der Kita oder der Schule, einen Rückgriff auf den anderen Elternteil oder andere hierzu bereite Familienmitglieder, wobei Personen, die einer Covid-19-Risikogruppe angehören, nicht als „zumutbare Betreuungsmöglichkeit“ gelten.

Problematisch werden kann, dass anders als bei „anderen Familienmitgliedern“ für den „anderen Elternteil“ unerheblich sein soll, ob er zur Betreuung des Kindes bereit ist. Dies wirft die Frage auf, ob auf einen Elternteil, der die Betreuung des Kindes, ablehnt, tatsächlich zurückgegriffen werden kann. Es wird zudem abzuwarten sein, ob eine anderweitige Betreuung als zumutbar angesehen werden wird, wenn sich ein anderes Familienmitglied hierzu bereit erklärt, der sorgeberechtigte Elternteil dies jedoch, weil er dem Familienmitglied das Kind nicht anvertrauen möchte, ablehnt. Es wird sich zeigen müssen, wie die Beteiligten mit derartigen Problemen umgehen werden und ob das Gesetz seinen Zweck tatsächlich erfüllen kann.

Sollten Sie zu diesem Themenkomplex Fragen haben, stehen wir Ihnen gerne beratend zur Seite.