Donnerstag, 07.11.2019

Eigenbedarfskündigung trotz Härtefall
 

Mit Urteil vom 22.05.2019 (VIII ZR 180/18) hat der BGH entschieden, dass an ein Härtefall gem. § 574 BGB nur ausnahmsweise angenommen werden kann.
 
Sachverhalt
 

Die inzwischen 82 Jahre alte Beklagte zu 1) hatte mit ihrem mittlerweile verstorbenen Ehemann im Jahr 1974 eine Dreizimmerwohnung mit 73 m² in Berlin gemietet. Diese bewohnt sie heute gemeinsam mit ihren beiden Söhnen, den Beklagten zu 2) und 3), die beide bereits über 50 Jahre alt sind. Der Kläger hat die Wohnung im Jahr 2015 erworben und erklärte im Januar 2016 die Eigenbedarfskündigung. Im Jahr 2017 hat er auch den Mietern einer Nachbarwohnung mit 65 m² gekündigt, um die beiden Wohnungen zusammenzulegen und diese für sich und seine vierköpfige Familie zu nutzen, die derweil auf 57 m² untergebracht ist. Die Beklagten haben der Kündigung widersprochen. Der Kläger klagte daraufhin auf Räumung der Wohnung.
 
Das Amtsgericht Charlottenburg hat der Räumungsklage stattgegeben, das Landgericht Berlin hat die Räumungsklage indes abgewiesen und entschieden, dass sich das Mietverhältnis wegen einer nicht zu rechtfertigenden Härte für die Beklagte zu 1) auf unbestimmte Zeit verlängere.
 
Die hiergegen vom Kläger eingelegte Revision war erfolgreich.
 
Eigenbedarf vs. Härtefall
 
Der BGH entschied, dass die Eigenbedarfskündigung des Klägers zwar „vernünftig und nachvollziehbar“ war. Die Kündigung stelle jedoch für die betagte Mieterin, die Beklagte zu 1), eine Härte im Sinne von § 574 BGB dar. Zu ihren Gunsten fallen ihr hohes Alter, die lange Mietdauer, ihre Verwurzelung in der bisherigen Umgebung und eine ärztlich attestierte Demenzerkrankung, verbunden mit der Gefahr der Verschlechterung im Falle eines Umzugs, ins Gewicht.
 
Der BGH betont allerdings auch, dass alleine das Berufen auf das Alter und eine lange Mietdauer mit einer damit verbundenen langjährigen Verwurzelung im bisherigen Umfeld je nach Persönlichkeit und körperlicher sowie psychischer Verfassung des Mieters unterschiedlich stark ausfallen können. Daher rechtfertigen bloße Bezugnahmen auf diese Kriterien nicht ohne Weiteres eine Härte im Sinne von § 574 BGB.
 
Es bedürfe einer umfassenden Interessenabwägung, das Abstellen auf einen angespannten Wohnungsmarkt sowie die Verweise auf eine eingeführte Mietpreisbremse und eine Kappungsgrenze reichen nicht aus. Dies seien grundsätzlich nur Indizien, aus denen sich einzig ergebe, dass Mietinteressenten generell deutlich höhere Anstrengungen unternehmen müssten, um geeigneten und bezahlbaren Wohnraum zu finden, nicht jedoch das Vorliegen einer unzumutbaren Situation, die eine unbillige Härte im Sinne des § 574 BGB darstelle, geschlossen werden kann.
 
Härte nur im Ausnahmefall
 
Für die Praxis hat dies zur Folge, dass bei der Geltendmachung einer unbilligen Härte im Einzelfall eine Interessensabwägung von Gesundheitszustand, Alter und Situation auf dem Wohnungsmarkt vorzunehmen ist. Eine schematische Argumentation hingegen verbietet sich. Es bleibt daher dabei, dass der BGH, wie schon in vorangegangenen Entscheidungen, hohe Anforderungen an die Feststellungen, die zur unbilligen Härte führen sollen und die daran anknüpfende Interessenabwägung im Einzelfall, stellt.