Montag, 22.03.2021

Das deutsche Lieferkettengesetz – neue Sorgfaltspflichten für Unternehmer ab dem 01.01.2023

Ein Beitrag von: Sonja Ruland

Das von der Bundesregierung am 03.03.2021 verabschiedete Gesetz über unternehmerische Sorgfaltspflichten  in Lieferketten (kurz: Lieferkettengesetz) soll vom Bundestag noch vor der Sommerpause beschlossen werden und am 01.01.2023 in Kraft treten. Das Gesetz zielt auf die Einhaltung von grundlegenden Menschenrechtsstandards in Lieferketten ab und sieht vor, dass Unternehmen als Verantwortungsträger für ihre Zulieferungskette an Sorgfaltspflichten zur Vorbeugung und Abwendung von Menschenrechtsverletzungen und solche Verletzungen verursachende Umweltgefahren gebunden werden.
Deutschland folgt damit dem Bespiel Frankreichs, das schon seit März 2017 mit der Verabschiedung des „Loi de Vigilance“ (Loi n° 2017-399) unter der Präsidentschaft François Hollandes über vergleichbare Regelungen mit ähnlicher Zielsetzung verfügt.
 
GRUNDZÜGE DES GESETZESENTWURFES
 
Mit Inkrafttreten im Jahre 2023 sind zunächst nur Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern von den Regelungen betroffen, ab 2024 wird das Gesetz dann auch Geltung für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern haben. Der Verantwortungsbereich der Unternehmen erstreckt sich dabei auf die gesamte Lieferkette, von Rohstoffgewinnung bis zur Auslieferung des fertigen Verkaufsprodukts. 
Nach einem abgestuften Schutzkonzept, das die jeweiligen Einflussmöglichkeiten auf die Lieferkette berücksichtigt, ist von den Unternehmen im eigenen Geschäftsbereich und bei unmittelbaren Zulieferern zwingend ein Risikomanagement einzurichten und einmal jährlich eine Risikoanalyse durchzuführen, wodurch nachteilige  Auswirkungen auf Menschenrechte ermittelt und  abgewendet werden sollen.
Zur Umsetzung dieses Ziels verpflichtet das Gesetz die Unternehmen, auch eine öffentliche Beschwerdestelle einzurichten und einen jährlichen Bericht zu veröffentlichen. Im Falle von Menschenrechtsverletzungen sind die Unternehmen zudem verpflichtet, unverzügliche Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, die zur Beendigung der Verletzungen führen müssen und, sollten diese in absehbarer Zeit nicht zum Erfolg führen, einen konkreten Plan zur Minimierung und Vermeidung von Verstößen zu erstellen.
 
Für die Lieferketten sollen die Unternehmen abgestuft verantwortlich sein. So werden Unternehmen bei mittelbaren Zulieferern nur anlassbezogen zu Maßnahmen verpflichtet. Bei Kenntniserlangung von einer Verletzung hat das Unternehmen dann aber unverzüglich eine Risikoanalyse durchzuführen, ein Konzept zur Minimierung und Vermeidung umzusetzen und angemessene Präventivmaßnahmen zu ergreifen.
 
Zur Umsetzung und Durchsetzung der Sorgfaltspflichten sieht das Lieferkettengesetz eine behördliche Kontrolle der jährlichen Berichte durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle vor, das auch für die Überprüfung von eingereichten Beschwerden zuständig ist. Bei der Feststellung von Verstößen können den Unternehmen empfindliche Bußgelder sowie ein Ausschluss von öffentlichen Aufträgen für bis zu drei Jahre drohen.
 
KEINE NEUEN ZIVILRECHTLICHEN HAFTUNGSREGELN – ANDERS ALS IN FRANKREICH

Im Gegensatz zu den bereits 2017 verabschiedeten Regelungen Frankreichs, sieht das deutsche Lieferkettengesetz keine neuen zivilrechtlichen Haftungsregeln für Unternehmen vor. Neu ist jedoch, dass nach dem Entwurf auch Nichtregierungsorganisationen sowie Gewerkschaften im Rahmen der Prozessstandschaft die Möglichkeit bekommen, den Klageweg für eine Privatperson aufgrund einer Verletzung der Menschenrechte nach den bestehenden zivilrechtlichen Haftungsregeln zu beschreiten.

Schaut man auf die Vorschriften des französischen Nachbarn, so fällt der Schutzbereich dieser Vorschriften im Vergleich zu dem geplanten deutschen Gesetz deutlich umfassender aus. Die französischen Regelungen beziehen nicht nur Verletzungen der Menschenrechte, sondern auch Verletzungen der Umwelt, der fundamentalen französischen Rechtsprinzipien sowie der Sicherheit und Gesundheit von Personen in den Wortlaut mit ein. Deutlich enger wird dagegen der Kreis der betroffenen Unternehmen gezogen: Nur Unternehmen, die in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren mehr als 5.000 Arbeitnehmer oder insgesamt mehr als 10.000 Arbeitnehmer beschäftigen sind an die Regelungen gebunden.

Die vorgeschriebenen Maßnahmenpakete sind sich dagegen in beiden Ländern ähnlich. Gemäß den französischen Vorschriften sind die Unternehmen verpflichtet, einen Sorgfaltsplan zu erstellen, der, ebenso, wie in Deutschland, zu veröffentlichen ist und Risikoanalysen sowie verschiedene Maßnahmen zur Risikominderung und -vermeidung beinhalten muss. Nach den eigens vom französischen Gesetzgeber geschaffenen Haftungsregelungen ist darüber hinaus jedes Unternehmen für den Schaden verantwortlich, den es durch die mangelhafte Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten aus dem Gesetz verursacht und ebenfalls zur Kompensation des Schadens verpflichtet, den die Maßnahmen bei ihrer Erfüllung verhindert hätten. Die Klage kann von jeder Person erhoben werden, die ein berechtigtes Interesse daran hat.

Auch auf europäischer Ebene ist die Einführung eines einheitlichen Lieferkettengesetzes ein Thema. Spätestens im Juni 2021 möchte die EU-Kommission auch ihre Pläne für ein europäisches Gesetz vorstellen. Ob sich der deutsche Lösungsansatz dabei nach dem Plan der Bundesregierung als Vorbild für eine europäische Regelung beweisen kann, bleibt abzuwarten. Festzustellen bleibt zumindest in Bezug auf den europäischen Partner Frankreich, dass trotz vieler gesetzlicher Gemeinsamkeiten, erhebliche Unterschiede über Eckpunkte, wie z.B. den Geltungsbereich für Unternehmen und Haftungsfragen, bestehen bleiben.

Mit dem Lieferkettengesetz wird es also auch in Deutschland neue Anforderungen an die Compliance und im Rahmen der Vertragsgestaltung bei Lieferketten geben. Als vertragliche Sanktionen können Kündigungsrechte, Freistellungsansprüche und Schadensersatzansprüche implementiert werden.  

Gerne beraten wir Sie – im deutsch-französischen Rechtsverkehr auch durch unseren French Desk – bei Fragen rund um die Vertragsgestaltung und die Comliance-Organisation in diesem Zusammenhang.