Dienstag, 04.10.2022

Beitragserhöhung eines privaten Krankenversicherers wirksam

Ein Beitrag von Marko Friedrichs

Einleitung
 
Die Diskussionen um die fast jährlich vorgenommenen Beitragserhöhungen privater Krankenversicherer reißen nicht ab. Ein Auslöser hierfür waren u.a. zwei Urteile des Bundesgerichtshofs im Dezember 2020 (BGH, Urteile v. 16.12.2020 – IV ZR 294/19 und IV ZR 314/19).
 
Dort waren die Beitragserhöhungen zweier privater Krankenversicherer als unwirksam erachteten worden, weil der Versicherer mit der Mitteilung der Beitragserhöhung die maßgeblichen Gründe nicht ausreichend dargelegt hatte. In der Folge etablierten sich am Rechtsmarkt diverse Dienstleister und versprechen Privatversicherten hohe Rückerstattungsansprüche gegen ihren Krankenversicherer aufgrund zu viel gezahlter Prämien. Da diese Dienstleister überwiegend über die Onlinemedien agieren, erreichen sie eine breite Masse Privatversicherter. Das Ergebnis ist eine nicht enden wollende Klageflut. Versicherer werden industriemäßig mit Gerichtsprozessen überzogen. Die Gerichte befinden sich an der Grenze ihrer Belastbarkeit.
 
Die Sache hat für Privatversicherte jedoch ein auf den ersten Blick nicht erkennbares Problem. Die Chancen auf schnelles Geld stehen eben doch nicht immer so gut.
 
Entscheidung des Landgerichts Cottbus vom 07.09.2022
 
Das Landgericht Cottbus hat mit einer aktuellen Entscheidung (LG Cottbus, Urteil v. 07.09.2022 – 5 S 67/18) in der Berufungsinstanz zu Gunsten des Krankenversicherers entschieden. Seine Beitragserhöhungen waren in jeder Hinsicht wirksam.
 
Der klagende Krankenversicherer nahm seinen beklagten Versicherungsnehmer erstinstanzlich beim Amtsgericht Senftenberg auf Zahlung rückständiger Krankenversicherungsbeiträge für die Zeit von November 2016 bis September 2017 in Anspruch. Der Beklagte wehrte sich mit einer Widerklage und begehrte die Verurteilung der Klägerin zur Herausgabe der Unterlagen, welche sie dem Treuhänder vor Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge zum 01.01.2016 und zum 01.01.2017 zur Prüfung vorgelegt hat sowie den Namen des Treuhänders offenzulegen.
 
Hilfsweise beantragte der Versicherungsnehmer, festzustellen, dass die zum 01.01.2016 und zum 01.01.2017 erfolgte Erhöhung der monatlichen Versicherungsbeiträge unwirksam seien und er deswegen nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbeitrages verpflichtet sei.
 
Das Amtsgericht Senftenberg hatte den beklagten Versicherungsnehmer antragsgemäß zur Zahlung der Versicherungsbeiträge verurteilt und seine Widerklage abgewiesen (AG Senftenberg, Urteil v. 30.10.2018 – 22 C 147/17).
 
Der Versicherungsnehmer legte Berufung zum Landgericht Cottbus ein und scheiterte erneut. Das Landgericht Cottbus hat insoweit ausgeführt, dass die Begründungen des Krankenversicherers für die Beitragserhöhungen zum 01.01.2016 und zum 01.01.2017 in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Bundesgerichtshofs standen und nicht zu beanstanden sind. Danach hat der Krankenversicherer nur zu benennen, ob eine Änderung bei der Berechnungsgrundlage „Versicherungsleistungen“ und/oder „Sterbewahrscheinlichkeiten“ zu der Beitragsanpassung geführt haben. Die genaue Höhe der Veränderung ist nicht mitzuteilen.
 
Diesen Anforderungen ist der Krankenversicherer in seiner Begründung nachgekommen, denn er benannte die Rechnungsgrundlage „Versicherungsleistungen“ und wies den Versicherungsnehmer mit einer nachfolgenden Aufstellung der Tarife ausreichend darauf hin, wie sich die Änderungen auf seinen Vertrag ausgewirkt hatten. Damit war er hinreichend informiert und die Beitragserhöhungen formell rechtmäßig.
 
Zu der Frage, ob die Prämienerhöhungen auch materiell wirksam waren, hatte das Gericht ein Sachverständigengutachten eingeholt. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass aus versicherungsmathematischer Sicht die Kalkulationen/Neuberechnung zum 01.01.2016 und zum 01.01.2017 für den Versicherten aufgrund des Vorliegens der vertraglichen und gesetzlichen Voraussetzungen zulässig waren. Ferner hatte der Gerichtssachverständige festgestellt, dass die Beiträge auch der Höhe nach entsprechend aktuellen Grundsätzen mit den bestehenden vertraglichen und gesetzlichen Vorschriften in Einklang standen.
 
Auch mit dem Begehren, die Unterlagen offenzulegen, welche der Krankenversicherer dem Treuhänder vor Erhöhung der Versicherungsbeiträge zum 01.01.2016 und zum 01.01.2017 zur Prüfung vorgelegt hat sowie den Namen des Treuhänders zu nennen, drang der Versicherungsnehmer nicht durch, denn die dem Treuhänder vorzulegenden Kalkulationsgrundlagen unterliegen dem Geschäftsgeheimnis des Versicherers. Die Kontrolle der Prämienerhöhung habe auf der Grundlage der dem Treuhänder vom Versicherer vorgelegten Unterlagen zu erfolgen und sei daher erst in einem gerichtlichen Verfahren vom darlegungs- und beweisbelasteten Versicherer offenzulegen. Die vom Versicherungsnehmer parallel dazu begehrte Vorlage an ihn scheide daher aus.
 
In dem vorgenannten Verfahren hatte der Krankenversicherer im Rahmen seiner ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast die Kalkulationsunterlagen vorgelegt, nachdem wegen der überwiegenden Geheimhaltungsinteressen des Versicherers dem Versicherungsnehmer, den Prozessbevollmächtigten sowie dem Sachverständigen zur Pflicht gemacht wurde, über diese Unterlagen absolutes Stillschweigen zu wahren (§ 174 Abs. 3 S. 1 GVG) und die Öffentlichkeit von der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen wurde (§ 172 Nr. 2 GVG).
 
Fazit
 
Dem in den breiten Medien pauschal ausgebrachten Hinweis, die Beitragserhöhungen privater Krankenversicherer seien in den letzten Jahren unwirksam gewesen und es seien deshalb hohe Geldbeträge beim Versicherer zurückzuholen, ist mit Zurückhaltung zu begegnen. Vielmehr ist immer eine genaue Einzelfallbetrachtung vorzunehmen. Ob eine Begründung zur Beitragserhöhung den gesetzlichen Anforderungen genügt, bleibt einer Entscheidung durch den Tatrichter vorbehalten. Es gibt daher keinen festen Rechtssatz, der bestimmt, ob eine Beitragserhöhung ausreichend begründet war oder nicht.