Montag, 27.06.2016

Das Verhältnis zwischen anerkannten Regeln der Technik und den Herstellervorgaben

Sachverhalt
Eine Baunternehmerin, die mit der Errichtung eines Werkstatt- und Bürogebäudes beauftragt ist, gibt Heizungs- und Sanitärinstallationen an einen Nachunternehmer weiter. Nach Fertigstellung des Objekts kommt es zu einem Wasserschaden im Wandbereich eines Sozialraumes, welcher auf eine gelöste Muffenverbindung des Abflussrohrs in einem benachbarten WC-Raum zurückzuführen ist. Es stellte sich heraus, dass das Abflussrohr nicht entsprechend der Montageanleitung des Herstellers mit zwei Rohrschellen, sondern nur mit einer Schelle befestigt war. Letzteres wäre nach den einschlägigen DIN-Vorschriften ausreichend gewesen. Nachdem die Unternehmerin zur Zahlung von Schadensersatz an ihren Auftraggeber verurteilt worden war, nahm sie den Nachunternehmer auf Erstattung in Anspruch. Der Nachunternehmer vertritt die Auffassung, die von den Herstellerangaben abweichende Montage mit nur einer Schelle begründe keinen Werkmangel, da nach der einschlägigen DIN-Vorschrift die Befestigung mit nur einer Schelle ausreichend gewesen sei – und die DIN-Vorschriften schließlich den anerkannten Stand der Technik wiedergäben.
 
Nachdem das Landgericht den Nachunternehmer antragsgemäß verurteilt hatte, legte dieser Berufung ein.
 
Entscheidung
Die Berufung blieb jedoch ohne Erfolg. Das Oberlandesgericht Hamm hat entscheiden, dass dem Unternehmer ein Schadensersatzanspruch zustehe. Das Oberlandesgericht begründet seine Entscheidung damit, dass die Montagevorgaben eines Herstellers nicht ohne Weiteres als anerkannte Regeln der Technik anzusehen seien, jedoch dann zur vereinbarten Beschaffenheit gehörten, wenn ihre Einhaltung vereinbart sei. Dabei könne von einer konkludenten Vereinbarung ausgegangen werden, wenn der Auftraggeber ein besonderes Interesse an der Einhaltung der Herstellervorgaben habe.
Weiter hat das Oberlandesgericht ausgeführt, dass für den Fall, dass die Herstellervorgaben über die anerkannten Regeln der Technik hinausgingen, der Auftragnehmer nicht eigenmächtig entscheiden dürfe, ob das bei einer abweichenden Ausführung bestehende Risiko eingegangen werden solle. Eine solche Entscheidung stehe ausschließlich dem Auftraggeber zu, sodass der Auftragnehmer diese Entscheidung einzuholen habe.
 
Fazit
Die einschlägigen DIN-Vorschriften spiegeln grundsätzlich die anerkannten Regeln der Technik wider. Ob (zusätzlich und weitergehend) auch die Herstellervorgaben anerkannte Regeln der Technik beinhalten, ist im Einzelfall zu ermitteln. Unabhängig davon ist aber zu prüfen, ob die Einhaltung über die Regeln der Technik hinausgehender Herstellervorgaben als vertraglich vereinbart und geschuldet anzusehen ist, handelt es sich dann doch um vereinbarte Beschaffenheiten, die vom Auftragnehmer unbedingt einzuhalten sind.
Ein Auftragnehmer darf sich also nicht darauf verlassen, nur die DIN-Vorschriften einhalten zu müssen, sondern muss prüfen, ob im Einzelfall Herstellervorgaben existieren, die zusätzliche Anforderungen stellen. Ist das der Fall, sollte er ihnen Folge leisten – oder aber unter genauer Schilderung der Situation und der mit der Nichteinhaltung der Herstellervorgaben verbundenen Risiken und Gefahren die Entscheidung des Auftraggebers einholen. Sonst riskiert er, trotz Einhaltung der einschlägigen DIN-Vorschriften bzw. der anerkannten Regeln der Technik dennoch haften zu müssen.